Category: Nicht menschlich Geschichten

Dunkler Abgrund Ch. 13

by MagnoliaS©

Notiz der Autorin: Diese Geschichte enthält viel Handlung, NonConsent-Elemente, BDSM (mit und ohne Zustimmung), Homosexualität (ff, mm), psychische und physische Folterbeschreibungen und eine Liebesgeschichte. Sie ist lang und entwickelt mit der Zeit einen verhältnismäßig komplexen Handlungsablauf. Wer auf der Suche nach einem Quickie ist - und das sind wir alle mal - sollte sich vielleicht noch einmal umschauen.

Kapitel 13

„Warum nochmal stehen gerade wir an vorderster Front?", fragte Holly interessiert und schob die Vorhänge vor den Fenstern der Eingangshalle mit dem Zeigefinger zur Seite. Bisher regte sich vor dem Haus nicht viel.

Wir stehen an vorderster Front, Holly. Du wirst nach dem Schutzzauber sofort nach unten gehen. Alec hat dir doch die Schutzräume gezeigt, richtig?" Pheobe klang abwechselnd besorgt und selbstbewusst. Ihr Blick glitt zu Michelle, die gerade in der Gruppe die letzten Instruktionen für die Angriffe und die Zauber gab. „Ich möchte mir nicht auch noch Sorgen um dich machen, Süße. Bitte, halt dich an den Plan."

Holly seufzte tief. „Ich werde mich nach dem Schutzzauber direkt nach unten begeben und mich zu dieser Vampirgeliebten gesellen."

„Das Wort klingt bei dir ziemlich abfällig. Dabei bist du doch nicht besser."

„Welches Wort?"

„Vampirgeliebte."

Hollys Gesicht rötete sich leicht. Nach dem kurzen Intermezzo im Labyrinth hatte sich Lukan ziemlich schnell von ihr getrennt. Sie war sich die Nacht über nicht sicher gewesen, ob er sich nur von ihr fernhielt, weil Jean Antoine wie ein Damoklesschwert über ihrer Beziehung hing. Noch dazu, weil er während des Tages nicht in ihrem Zimmer aufgetaucht war und auch seit Sonnenuntergang nicht mit ihr geredet hatte. Doch schlussendlich wusste sie, dass Lukan sich nicht freiwillig von ihr fernhielt. Egal welche Taktik als nächstes käme, sie würde es überstehen und eine weitere Nacht in ihren Armen liegen. Sie wusste es einfach. Doch es gab im Moment einfach hunderte Dinge, die wichtiger waren. „Okay, das war unfair." Sie zögerte einen Moment und sah Pheobe an. „Aber irgendetwas stimmt mit ihr nicht, richtig?" Und damit meinte sie nicht, dass Grace mit diesem eiskalten Vampir schlief, sondern etwas... das die Hexen flüchten ließ, sobald sie im Raum war. Und das alle nervös machte.

Pheobe begegnete ihren Blick mit einer alterslosen Ruhe. „Wir sind uns nicht sicher, denn es ist unmöglich."

Holly hob überrascht die Augenbrauen und trat vom Fenster weg. Sie hatte gewusst, dass irgendetwas nicht stimmte, aber das war interessant. Pheobe wandte sich zum Fenster. Scheinbar hatte sie nicht vor zu antworten. „Es ist vielleicht einfach besser, wenn du dich ein bisschen in ihrer Gegenwart zusammennimmst und freundlich bist."

„Was ist sie?", fragte Holly jetzt beunruhigt. „Du kannst mir nicht so was sagen und dann von mir erwarten, dass ich später zu ihr in die Schutzräume ziehe."

„Sie ist ein Mensch, keine Sorge. Aber wir werden das Gefühl nicht los, dass das nicht alles ist."

„Ein Mensch", wiederholte Holly skeptisch. „Du willst mich verarschen."

Pheobe warf ihr einen kurzen Blick zu und drehte sich dann um. „Wir sollten beginnen."

Die Hexen reagierten sofort und stellten sich in einen Kreis. Wie bei den Aufwärmübungen zu einem Gesangschor begannen ein paar Atemübungen zu machen und streckten ihre Glieder. Holly tat es ihnen nach, doch während sie sich vorbeugte, die Arme zu Boden gleiten ließ und dann langsam den Oberkörper aufrichtete, zischte sie leise: „Das ist eine absolut miese Ablenkung. Was bringt es dir, das vor mir geheim zu halten? Was ist sie?"

Pheobe versuchte erfolglos so zu tun, als habe sie Holly nicht gehört. Während sie die Sonne begrüßte, seufzte sie schließlich. „Michelle glaubt, dass sie ein Telepath ist."

„Ein Gedankenleser?"

Pheobe nickte langsam und hob ihr rechtes Knie. „Ich allerdings glaube, dass sie ein Traumwandler ist."

Holly ging unwillkürlich ihr inneres Wörterbuch über dämonische Wesen durch und erstarrte. „Die sind ausgestorben."

Pheobe streckte sich und stellte sich auf die Zehenspitzen. „Und genau das ist das Problem. Wir haben keine Ahnung, was Traumwandler machen können. Sie sind schon lange vor den ersten Aufzeichnungen von der Bildfläche verschwunden. Grace könnte ein sehr mächtiges Wesen sein und wir können nicht abschätzen, wie sich ihre Kräfte auswirken. Es ist gut, dass sie beim Kampf nicht anwesen ist. Nachher bringt sie bei einem Unfall uns alle um."

Holly ließ ihren Körper zusammensacken und atmete prustend aus. Dann schüttelte sie den Kopf. „Und ihr wollt, dass ich in Sicherheit bin. Bei ihr. Spitze." Doch ihre Freundin reagierte nicht mehr.

Auf Pheobes Zeichen hörten sie mit ihren Übungen auf und schlossen synchron die Augen. Langsam und gleichmäßig atmeten sie ein und aus, bis sie alle im selben Rhythmus Luft holten. Erst dann griffen sie nach den Händen ihrer Nachbarinnen und ließen sich führen. Pheobe sagte nicht viel und vor allem nicht laut. Doch die Töne, die sie wie einen Singsang ausstieß schien irgendetwas in Holly zum Kribbeln zu bringen. Sie liebte dieses Gefühl, wenn tief in ihrer Brust eine seltsame Wärme einsetzte und von dort in ihre Glieder rauschte. Erst als ihre Fingerspitzen in den Händen ihrer Nachbarinnen ebenfalls zu summen begannen, schloss sich der Kreis der Macht. Leise, raunende Worte vervollständigten die innere Magie und ließen sie langsam fließen. Der Prozess an sich dauerte nur wenige Augenblicke, denn alle wussten Bescheid, wann ihr Zeitpunkt kam. Michelle hatte ganze Arbeit im Vorfeld geleistet.

Wie auf Kommando gaben einige Frauen gegenüber von Holly plötzlich seufzende Laute von sich, als sich ihre Essenz langsam mit der der Gruppe mischte. Hitze strömte unter Hollys Haut entlang und brachte sie unwillkürlich zum Lächeln. Dies war gut; diese Verbindung zum Leben. Zur Erde, zur Natur. Es waren keine Blutopfer nötig oder das Verbrennen verschiedener Kräuter. Nur der Glaube zählte und die Macht, die sie teilten.

Schließlich war auch Holly dran. Mit viel Konzentration richtete sie ihre innere Macht, die sie nur in diesen Momenten tatsächlich fühlte, in die Mitte des Kreises und spürte gleichzeitig, wie die Wärme in ihr abflaute. Kalter Schweiß brach ihr in den Achseln aus und plötzlich begannen ihre Muskeln zu zucken. Ihre Finger krampften sich in Pheobes Hand und in die ihrer anderen Nachbarin, bis sie innerlich wahrnahm, dass sie alles gegeben hatte. Sie musste im Gegensatz zu den anderen nichts für den Kampf aufheben, deshalb zischte die Macht fast hörbar, als sie ihre letzten Reserven mit einem Schlag losließ und sich dann abschottete. Pheobes Stimme füllte sich mit Stolz, während sie leise weitersang. Es dauerte nur einen Moment, bis auch die anderen schließlich einfielen und sie gemeinsam die letzten Takte summten. Dann war es vorbei.

Müdigkeit wie nach einem langen Tag voller Gehaltsabrechnungen und Rechenübungen schwappte durch Hollys Körper, als Pheobe den Kreis schloss und ihre Hand freiließ. Ihre Knie waren weich wie Pudding, deshalb hielt Holly die andere Hand noch einen Moment fest, um ihr Gleichgewicht zu wahren, bevor sie schließlich losließ. Wankend betrachtete sie die Gruppe. Sie alle wirkten erschöpft, doch glücklich.

„Alec hatte eine schöne Grundstruktur", meinte plötzlich Michelle. Pheobe lächelte sie breit an und nickte aufgeregt.

Holly hingegen rollte mit den Augen. So, wie das bei den beiden klang, könnte sich das Gespräch genau so gut um die Manneskraft des Vampirs drehen, so entzückt waren sie. In Wahrheit ging es schlicht und ergreifend um Alecs magische Barriere, die schon vor dem Eingreifen der Coven bestanden hatte. Auch Holly hatte einen guten Eindruck von dem Grundgerüst erhaschen können, doch es war Auftragsarbeit. Die Hexen damals haben nicht direkt geschlampt, aber einen wirklichen Angriff von einigen Coven hätte das Ding keine Stunde standgehalten. Vampire und Werwölfe hingegen würde es aufhalten, allerdings fragte sich Holly unwillkürlich, wie Jean Antoine und Lukan dann überhaupt in dieses Gebäude eindringen konnten. Vielleicht war das Grundgerüst doch um einiges facettenreicher, als sie alle angenommen hatten. Vielleicht war die Barriere allerdings auch einfach so löchrig wie ein Schweizer Käse.

„Hast du die Abwehrmechanismen für einen Guhlangriff gesehen? Wie aus dem Handbuch!", meldete sich eine dritte Hexe. Miranda Simmons war eine adrette, hübsche Frau mit einer fast schon lächerlichen Vorliebe für Tweed. Sie war die Art von alternder Hausfrau, die man eigentlich nur aus Romanen und Filmen kennt. Um zumindest den Anschein nach außen für den Angriff zu wecken, dass sie eine vollwertige Hexe war, hatte sie sich zwei schwarze Balken auf die Wangen gemalt. Sie sah trotzdem aus wie eine teetrinkende Rentnerin, die sich beim Gartenjäten schmutzig gemacht hatte und nur gerade Pause auf der Veranda einlegte, um die müden Knochen zu schonen.

„Ich fand die Flüche ein bisschen makaber. Alte Schule in jedem Fall. Wie alt meint ihr, ist das Ding?" Michelle sah sich im Salon um, als könne man das unsichtbare Netz aus magischen Knüpfarbeiten selbst ohne Kreis sehen.

Pheobe trat zu ihr und schlang ihre Arme um die Taille ihrer Geliebten. Von hinten küsste sie ihren Hals, bevor sie den Kopf hob. „Ich schätze, um die hundertfünfzig Jahre."

„Hat in jedem Fall gut gehalten", urteilte Miranda und wandte sich dann an Pheobe. „Für deinen Elementzauber ist alles bereit? Sobald du loslegst, werde ich meinen Segen sprechen."

Michelle legte ihre Hände über Pheobes und schmiegte sich in ihre Umarmung. „Pass bitte auf. Wenn du Pheobes Wasser ins Säure verwandelst, kann es sehr schnell passieren, dass sie sich die Finger verätzt."

Miranda nickte langsam und überkreuzte die Finger. „Ich versprech's. Solange Pheobe sich an den Plan hält."

„Ich habe mich von René schützen lassen." Pheobe zögerte einen Moment und sah dann in die Runde. „Alec... er hat nicht direkt darum gebeten, aber... Er hat sehr interessierte Fragen gestellt, als wir von den Block- und Schutzzaubern sprachen."

„Er ist tot, Liebes." Michelle drehte sich in ihrer Umarmung zu ihrer Geliebten um. „Wir können ihm nicht helfen."

„Er fragte auch nicht für sich, sondern..."

Eine kurze Stille setzte in der Gruppe ein. Sie alle wussten, wie verrückt dieser grausame und eiskalte Vampir nach seiner blauäugigen Frau war.

„Für Grace", beendete Holly den Satz. Als hätte sie den Namen geschrien, wandten sich alle Hexen zu ihnen um und sahen sie gespannt an. Dann richteten sich ihre Blick auf Pheobe.

Pheobe zuckte langsam mit den Schultern. „Es steht viel auf dem Spiel. Das wisst ihr. Warum sollten wir ihm nicht einen Gefallen tun? Es ist ja nicht so, als..."

„Die Rückkopplung ist bei einem Wesen wie ihr nicht abzusehen", schnitt Miranda kühl die Äußerung ab. „Es könnte uns alle umbringen, wenn der Zauber sie trifft. Das Risiko ist zu groß. Ich will nicht grausam sein, aber ich finde, es reicht, dass sie unten in den Schutzräumen ist."

Ein zustimmendes Raunen ging durch die Hälfte der Gruppe, doch eine andere Hexe trat vorsichtig hervor und meldete sich zögernd zu Wort. „Selbst ein toter Vampir leidet, wenn ihm eine geliebte Person entrissen wird." Ihr Name war Kenya Jetson und sie war eine aus der Cove, dessen Haus Damon überfallen und für sich beansprucht hatte. Ihre dunkler Kleidung und das auffällige Tattoo auf ihrer linken Schläfe zeichnete sie eindeutig als eine von ihnen aus. „Ich finde es nicht richtig, wenn wir nicht alles tun, um eine Unschuldige bestmöglich zu schützen. Sie ist wie wir ein Mensch und eben ein bisschen mehr. Wir wissen zwar noch nicht, wie sie auf den Zauber reagieren würde, aber es kommt mir verdammt falsch vor, wenn wir es nicht versuchen." Abwartend sah sie einige Frauen aus ihrer Cove an. „Ich habe bei dem Angriff auf das Haus meine Tochter verloren. Sie war ebenso unschuldig und hatte ebenso magisches Blut wie Grace. Was genau sie war, spielte für mich keine Rolle. Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt." Ihre Stimme stockt einen Moment und kurz schloss Kenya die Augen, bevor sie sich straffte und weiter sprach. „Damon hat keinen offenen Kampf gegen uns geführt. Er hat eine von uns mit seiner Geschaffenen, Morgana, beeinflusst, damit er ins Haus kommen konnte. Die meisten von uns schliefen, doch die, die wach waren, hatte Morgana schnell unter ihrer Kontrolle." Sie zögerte einen Moment und atmete tief durch. „Danach hat er systematisch die Schlafenden geweckt und sie sofort durch Morganas Fähigkeiten machtlos gemacht. Erst dann, erst als alle Hexen vollkommen unter ihrem Bann waren... hat er sich den Kinderzimmern zugewandt und..." Mühsam riss sie sich erneut zusammen. „Hätte meine Tochter einen Bann getragen; hätten wir sie mit einem Zauber geschützt, dann wäre es Damon niemals möglich gewesen, dass ich meine Kräfte freien Lauf ließ und mein Kind bei lebendigem Leib verbrannte..." Sie blinzelte angestrengt und ballte die Hände zu Fäusten. „Er hat mich dazu gebracht, dass ich mein eigenes, geliebtes Kind umgebracht habe, während er lachend daneben saß und ein anderes Kind nackt... Wenn ich meine Tochter richtig geschützt hätte, wäre sie heute noch am Leben, während ich durch den Bann gestorben wäre. Ich würde mit Freuden mein Leben eintauschen. Und ich bin mir sicher, dass Alec es genau so tun würde. Nur hat er nicht die Macht dazu." Sie sah wieder nacheinander einige Hexen an. „Wir haben sie allerdings und mir ist eine mögliche Rückkopplung nicht genug, um mein Gewissen zu beruhigen, falls ihr etwas passiert."

Miranda war die erste, die den Blick senkte, während die meisten anderen Frauen schockiert schwiegen. Sie hatten alle gewusst, dass Damons Angriff grausam gewesen war und sie waren alle sofort bereit gewesen, sich dem Kampf zu stellen, doch jetzt flackerte in ihren Gesichtern ein neuer Gedanke auf. Ein brennender Wunsch nach grausamer Rache. Damon hatte das schlimmste getan, was man tun konnte. Er hatte sich an Kindern vergriffen. Den einzigen, wirklich unschuldigen Wesen auf dieser Welt. Dieses Details war bisher nicht bekannt gewesen und es veränderte in diesem Moment alles.

Ja, sie hatten kämpfen wollen, doch viele von ihnen nur, um ihre Kräfte auszuprobieren oder um ihre Loyalität zu zeigen. Sie hatten füreinander da sein wollen. Doch jetzt schweißte dieses lose Bündnis aus verschiedenen Coven ein gemeinsamer, allumfassender Wunsch nach Rache und Blutlust zusammen. Sie wollten nicht mehr nur gewinnen. Sie wollten schlachten.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit", sagte Pheobe leise und erntete sofort einige anklagende Blicke. „Hei! Ich meinte, dass wir uns beeilen sollen, wenn wir Grace noch segnen wollen. Ich wollte keinen Einspruch erheben. Schließlich war das meine Idee!"

*

„Es ist eine Ehre, Grace."

„Du hast gut reden. Dir schlitzt man nicht den Arm auf." Grace' Herz schlug ihr bis zur Kehle, als eine der Hexen schließlich den Segen schloss und zurücktrat. Sie hörte nur mit halbem Ohr, wie einige Hexen beruhigt ausatmeten, als nichts weiter geschah, außer dass sich ein buntes Licht auf Grace Haut setzte und in ihre Brust drang. Dieses Segnen war in jedem Fall nicht so schlimm. Doch nicht dieser Teil war das Problem, sondern der Bannspruch. Ihr war klar, dass es eine gute Sache war, wenn ein Angreifer bei einer Berührung mit ihrem Körper von einem Schlag getroffen wurde oder in Flammen aufging oder so. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass die Spezialisten für Bannsprüche gerade mit einem sehr, sehr langen Steakmesser auf sie zukam.

„Ein Bannspruch ist etwas Widernatürliches", erklärte ihr die Hexe mit dem alterslosen Gesicht erneut. „Deshalb müssen wir einen Teil unseres Lebens geben, um den finsteren Mächten Tribut zu zollen."

„Es sind nur ein paar Tropfen", beruhigte Alec sie wieder und strich ihr vorsichtig über den Rücken.

„Ähm..." Grace trat einen kleinen Schritt zurück. „Merkt der Zauber eigentlich den Unterschied zwischen Angriff und..." Sie warf Alec einen beredeten Blick zu. „Anderen...Dingen?"

Pheobe lächelte amüsiert und nickte. „Keine Sorge, diese Zauber sind keine denkenden Wesen. Sie liegen auf deiner Haut auf und füllen deinen Geist. Dadurch bilden sie eine Verbindung. Dein Geist oder dein Verstand müssen also als erstes reagieren, bevor der Zauberbann zuschnappt."

„Und wenn ich von hinten angegriffen werde?" Grace behielt das Messer genau im Auge. „Oder wenn Alec von hinten an mich herantritt?"

Pheobe warf einen hilfesuchenden Blick zu einer rothaarigen Frau. Michelle war ihr Name, wenn sich Grace richtig erinnerte, allerdings spielte das im Moment keine größere Rolle. Das Messer hingegen spielte gerade die Hauptrolle in Grace' Gedanken. Es war eine Sache, von Alec gebissen und so verletzt zu werden. Es war eine vollkommen andere Sache, wenn man ihr vorsätzlich ein Messer in den Arm rammen wollte. Alecs Umschreibung von ein paar Tropfen war mehr als unrealistisch betrachtet. Der Bottich, den Grace Blut füllen musste, war so groß wie ein Saftglas. Ein Viertelliter waren das mindestens und soweit sie sich noch an ihr Medizinstudium erinnern konnte, war es nicht unbedingt gesund, wenn man mehr als einen halben Liter innerhalb von drei Monaten spendete. Wenn man also Alecs Vorliebe für ihr Blut und dieses Ritual richtig betrachtete, war diese ganze Angelegenheit möglicherweise... nun, tödlich.

Kein allzu beruhigender Gedanke.

Michelle riss sie aus ihren Gedanken, als sie einfach nach Grace' Arm griff und ihn festhielt. „Jetzt."

Pheobe schien nur auf diesen Überfall gewartet zu haben, den ihr Messer blitzte im selben Moment auf. Grace zischte leise, als das Metall durch ihre Haut glitt und Blut hervorquoll. Schmerz schoss ihren Arm hinauf und Grace starrte schockiert die beiden Frauen an. Die ersten Tropfen waren kaum im Becher gelandet, als Michelle sie auch schon wieder losließ und Alec nach ihrem Arm griff, um die Wunde zu verschließen. Seine Zunge glitt über die brennende Wunde und verteilte den heilenden Speichel. Während Alec noch das Blut aus seinem Mundwinkel leckte, waren die Hexen mit ihrem Zauberbann schon fertig. Zumindest sah es so aus, denn sie packten ihre Sachen zusammen. „Das war's?", fragte Grace trotzdem noch einmal sicherheitshalber.

Pheobe schenkte ihr wieder ein altersloses, amüsiertes Lächeln. „Wir machen wenig Tamtam darum, also ja. Das war es."

„Ich habe dir doch gesagt, dass es nur ein paar Tropfen sind." Alec schlang seine Arme um ihren schmalen Körper und drückte sie an sich.

Grace' Augen blitzten ihn an. „Wenn das ein Vampir sagt, bleibe ich trotzdem skeptisch bei der Menge. Außerdem sah der Becher bedrohlich groß aus."

Alec lächelte sie an und hob plötzlich den Kopf. Sein Blick huschte zur Ecke des Raumes und blieb einen Moment am Schatten hinter einem schmucken Tisch im Salon hängen. Schließlich wandte er sich den Hexen zu. „Sie sind da."

*

Jean Antoine sah zu, wie zuerst Alecs Geliebte und dann diese fette, dumme Hexe den kleinen Gang hinter dem Salon betrat und in Richtung der Kellerräume ging. Der Schutzraum, der schon seit Ewigkeiten in Alecs Haus war, lag wie alles in New Orleans unterhalb der Grundwassergrenze, doch irgendwie waren die Räume dort trocken. Weshalb konnte Jean Antoine auch nach Stunden in der Gesellschaft von Hexen nicht sagen. Einige Frauen hatten allerdings behauptet, dass der Boden voller alter Magie war. Nur deshalb war es den Siedlern überhaupt gelungen, hier eine Stadt zu errichten, obwohl die Wellen des Meers höher schlugen, als das Land gewachsen war. Alte Magie könnte der Grund sein, doch für eine so lange Zeit konnte man sich nicht der Natur widersetzen. Vielleicht war der Hurrikane Katrina nur der Stein des Anstoßes gewesen und das Land verlor tatsächlich seit einigen Jahrzehnten ihre Magie.

Jean Antoine schnaubte. Wen interessierte das schon? Solange das Wasser nicht plötzlich über ihnen zusammenschlug, war es Jean Antoine herzlich egal, was der Grund war. Denn diese Komplikation wäre einfach zu viel für seine Pläne.

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