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16 - Wie es Wurde

by rokoerber©

Kapitel 16 - Wie es wurde
© rokoerber

„Die machen wohl mal wieder einen Abend am Lagerfeuer. Der Rauch vertreibt wenigstens die Fliegen“, sagte Ismael lachend zu seiner Frau Mebina, als er vom Fenster zurück ins Wohnzimmer kam.

„Wenn es ihnen Spaß macht“, lächelte auch Mebina. „Was meinst du, sollen wir uns nicht auch räuchern lassen“, fragte sie dann nach. „Denk dran, was Norman uns riet, der damals Verlobte von Kimba …“

„Wieso damals und was für einen Rat. Habe ich da etwas verpasst?“, murrte Ismael ein wenig.

„Lass mal“, säuselte Mebina, um ihren Mann etwas aufzumuntern. Er arbeitete in letzter Zeit zu viel. Die Verantwortung für das große Land, das sie verwalteten, nagte etwas an seinen Nerven. Er war extra aus dem Jurastudium ausgeschieden, weil ihn gerade Rechtsfälle nervten, und wurde lieber Tierfotograf. Ein sehr guter sogar, wie sich bereits herausgestellt hatte.

Mebina stand auf, aus der prächtigen Sitzgruppe im Wohnzimmer ihres großen Hauses, ging zu ihrem geliebten Mann und … fiel ihm um den Hals. „Ach du Knurrian, dich belastet wohl, dass sich ein Gast des Weißen Jägers Tom Rawlings gerade als Elfenbeinschmuggler herausstellte. Jetzt befürchtest du, der will hier nur ausspionieren, wo die Elefanten bei uns stehen. Das soll nun wirklich nicht dein Problem sein, dafür ist die Oberjagdbehörde und die Polizei zuständig.“

„Papa Mogwa, hat mir aber praktisch die Verantwortung für das Land, das er uns schenkte, aufgehalst …“

„Er hat aber nie etwas von der Jagd gesagt, einfach weil der Umzug der wilden Tiere, aus dem Nachbarland, damals noch nicht einmal erkennbar begonnen hatte. Dass wir jetzt plötzlich so einen großen Bestand haben ist gut, aber da soll nun endlich die Oberjagdbehörde einschreiten“, unterbrach ihn Mebina. „Das habe ich erst gestern, Papa sehr deutlich gemacht, vor allem, dass wir hier mehr Hilfe brauchen. Zumindest einen Trupp Ranger, vom Staat bezahlt und dir untergeordnet“, dann bekam Ismael einen dicken Kuss. Sofort glättete sich seine finstere Miene wieder. „Komm, lass uns einfach Safaris überziehen, dann mischen wir uns unter die Gäste, genau so, wie es uns Norman geraten hat“, schlug Mebina vor. „Wir könnten gut auch mal die eine oder andere Runde spendieren.“

„Und ich lasse mich von einigen der Damen anmachen“, grinste Ismael endlich wieder.

„Aber geschlafen wird zuhause“, gab seine Frau, ebenfalls grinsend zurück.

Die beiden gingen ins Schlafzimmer, sich umzuziehen, denn Ismael sah natürlich schnell ein, dass der dunkle Anzug, den ihm seine Ehefrau, als Hotelier, zumindest bei der Büroarbeit, die er fast hasste, empfohlen hatte, nicht an ein Lagerfeuer passte. Da er seine Frau sehr liebte, die ihm ja auch zwei propere Kinder geschenkt hatte, gehorchte er ihr in solchen Dingen wie selbstverständlich. Er gehörte noch nie zu den Typen, die den Boss rauskehrten. Dass, als die beiden ausgezogen waren, um danach auch die Unterwäsche zu wechseln, erst eine Runde herzlich geschmust wurde, war im Schlafzimmer keine Seltenheit. Es wurde erst unterbrochen, als es an die Türe klopfte.

„Kann ich noch ein bisschen raus ans Lagerfeuer“, fragte ihr Sohn, bereits fertig angezogen.

„Tut mir leid mein Sohn“, verweigerte es die Mutter, dann bist du morgen früh nur wieder unausgeschlafen. Wir bräuchten für euch halt dringend eine Schule“, wandte sie sich an Papa Ismael.

Aber auch der Papa war heute ablehnend, allerdings mehr, weil er sich gestört fühlte, seine Frau war gerade doch fast bereit gewesen, seinen Wünschen nachzukommen. Nun war natürlich die Stimmung vorbei.

„Ab ins Bett, dort ist eine Erwachsenenparty, nichts für Kinder“, sagte er, und zog die Unterwäsche an. „Wenn aber die Küchenmannschaft, morgen Mittag, mit den Stubenmädchen, den Geburtstag unseres Chefkochs feiert, dann darfst du und deine Schwester hin und dabei unser Geschenk abliefern. Okay?“

Der Sohn nickte, diese neue Nachricht erfreute ihn. Schnell bekamen Mutter und Vater einen Gutenachtkuss und er verschwand. Die Eltern kleideten sich fertig an.

***
Draußen am Lagerfeuer tat sich was. Schon knapp ein Dutzend der Gäste hatten es sich auf den gewollt primitiven Balken um das Feuer bequem gemacht. Inzwischen gab es auch einige Pferdedecken, um es auch für die Damen weich genug zu haben.

„Ich würde erst einmal eine Runde Bier ausgeben“, sagte Ismael laut, als er mit Mebina an das Feuer trat. Natürlich wurde er mit Ja-Rufen und Händeklatschen empfangen. Er pfiff durch die Finger und winkte zur Bar des Treetop Hotel hin. Der Barkeeper kam und nahm die Bestellungen auf. Ismael und Mebina setzten sich. Die Unterhaltung ging weiter.

Erst wurde von den Gästen noch über Allgemeinplätze gesprochen. Natürlich wurde auch den Getränken gerne zugesprochen, aber hauptsächlich, vor allem von einigen offensichtlich verliebten Paaren, auch mit seltsam träumerischem Blick in das Feuer gestarrt – oder den Funken nach, die sich schnell im Leuchten der glitzernden Sterne verloren.

„Wie kam es eigentlich zum Namen Marula Treetop Lodge?“, hatte Benno plötzlich eine Frage. „Ein wenig verwirrend ist er zudem. Die Zimmer sind ja nicht am Top von Marula Bäumen.“

Ismael lachte. „Nein, die sind viel zu schwächlich dazu. Das Hotel ist vielmehr auf Bäume aufgebaut, die hier Eisenbäume genannt werde. Frag mich jetzt aber bitte nicht nach dem korrekten botanischen Namen. Da muss ich passen.“

„Ich leider auch“, sagte Mebina. „Die … was ist es eigentlich Stiefmutter …“

„Nein Adoptivmutter, du meinst Ma Lis? Aber Pa Paul ist mein richtiger Vater“, antwortete Ismael. „Sie prägte, nach dem ersten Hotelabschnitt, diesen Namen. Das Hotel wurde damals sogar getauft, zusammen mit meinem Sohn.“

„War denn der Pornograf, wie dein Vater wohl genannt wird, damals auch da?“, fragte Susi.

„Ja, er, seine Frau und meine freche Halbschwester, die rothaarige Pele“, gab er lachend Auskunft.

„Wieso hältst du deine Halbschwester für frech“, meldete sich Sabine.

„Halt, halt“, kreischte jetzt auch noch Toto. „Könntest du dieses Thema bitte streichen?“

„Warum das denn“, fragte Sandra überrascht zurück.

„Weil Pele, heute nennt sie sich Susi Lovejoy, wenn auch nur als ebenfalls freche, aber sehr gute Autorin“, schaltete sich jetzt Mebina lachend ein, „schon damals eine Eigenschaft zeigte, die gewisse Damen, dem Vernehmen nach, auch an sich haben. Sie wurde mehrmals ohne Höschen angetroffen.“

Die gewissen Damen bekamen einen Hauch Röte ins Gesicht, der bei dem großen, flackernden Lagerfeuer aber nur bei genauem Betrachten zu sehen war.

„Meine Schwester ist es aus Italien gewohnt. Im Fotopark war es für uns Seminaristen sogar Pflicht, nackt zu baden. Ja, staunt oder lacht nur, das diente dazu, vor allem uns Herren, nicht dauernd mit einem Ständer vor unseren Models zu erscheinen, denn, genauso genommen, lernte ich dort die dynamische Fotografie“, war der Hausherr, wenn man so sagen kann, wieder am Erläutern. „Es war für mich verblüffend, aber die Methode wirkte. Später, als der Befehl längst nicht mehr galt, wurde prompt weiter nackt gebadet.“

„Sollte man hier auch einführen“, klang eine männliche Stimme auf. Alles schaute sich grinsend um, der Sprecher war aber nicht zu eruieren.

„Meine ganze Familie und fast alle Gäste, badeten ebenfalls nackt“, fuhr Ismael ungerührt fort. Ich wunderte mich also nicht, dass meine Schwester hier auch keine Scheu zeigte. Immerhin fragte sie. Wir hatten, außer den drei, damals noch keine Gäste und die Bauarbeiter hatten Pause, also erlaubte ich es ihr. Oh Wunder, sie zeigte sogar etwas Rücksicht auf etwaige Gefahren und ging mit dem Höschen bekleidet an den Pool. Dort legte sie natürlich das Höschen an den Rand.“

„Sollten wir auch einführen“, sagte Susi leise zu Sabine.

„Später hatte sie es nur in der Hand“, fuhr Ismael fort, „als sie, in die damals noch primitive, Freilanddusche ging. Vor der Dusche legte sie das Höschen ab und ging sich duschen. Aber was glaubt ihr, was dann geschah?“

Gebanntes Schweigen. Nur Toto versuchte sich klein zu machen.

„Unser lieber, doch so anständiger Toto, schlich sich an. Er spähte durch den nur auf die Entfernung wirksamen Sichtschutz und - er sah die nackte Pele …“

„Dabei bekam er einen gewaltigen Ständer, wie uns glaubhaft berichtigt wurde“, unterbrach wieder einmal Mebina.

„Nicht genug damit“, fuhr Ismael fort. „Dieser Bursche Toto, war damals, mit gerade achtzehn, auch bereits ein Frauenverführer, der 14 Tage später seinen Militärdienst ableisten musste, bevor er zur Polizei ging. Nicht genug des Verdammenswerten in die Dusche Linsens, nein, er zog seine Hose ebenfalls aus und ging, seine Palme vor sich hertragend, rein zu Pele. Die schien aber eher erfreut, zog ihm sogar sein T-Shirt aus und kam mit ihm wohl zur Sache. Zum Glück kam unser damaliges Zimmermädchen und wollte auch duschen. Und was sah sie? Toto, von dem sie glaubte, er sei ihr Freund, mit der vor ihm knienden Pele. Die Folge war natürlich ein mörderisches Geschrei, das bis zu uns rüber drang. Doch Ursa, so hieß das Zimmermädchen, wurde von Pele nur beschimpft.“

„Ich fürchte, ich wär womöglich auch ausfallend geworden“, sagte Susi, „Wenn ich, als Pele, bei so einer netten Sache, wie an Toto zu lutschen, gestört worden wäre. Wie alt war denn Pele damals, mal dumm gefragt?“

„Pele? Ich nehme an, so Mitte zwanzig?“, antwortete Ismael.

„Und dann ließ sie sich mit dem damals so jungen Kerl ein“, wunderte sich Lydia.

„Er mag jung gewesen sei“, sagte ausgerechnet Sabine, „aber wir doofen Europäer können das Alter eines Farbigen kaum richtig einschätzen“, verteidigte sie die unbekannte Pele.

„Das stimmt“, gab auch Susi ihren Senf dazu. „Aber mich würde interessieren, wie es dann weiterging. Toto hat das Zimmermädchen einfach rumschreien lassen und hat aufgegeben, Pele auch? Das sieht zumindest Toto eigentlich nicht sehr ähnlich.“

„Meine Frage, wie es zu den Namen kam, ist aber auch noch nicht beantwortet“ brummte Benno.

„Das stimmt auch wieder“, musste Ismael zugeben, „es lässt sich aber schnell beantworten. Meine Eltern waren Ende September da, zu Taufe unseres Sohnes und des ersten Bauabschnitts der Treetop-Anlage. Ende September ist aber die Reifezeit der Marulafrucht. Da riecht alles danach, und, zu fast jedem Gericht kommen sie auch auf den Tisch. Selbst in der Bar wird sie als Schnaps oder Likör ausgeschenkt. Auch die Wildtiere kennen die Reifezeit, da kommen selbst die Elefanten, sie mögen diese Frucht besonders, vor allem heruntergefallen und leicht vergoren. Nun, Ma Lis war auch begeistert davon, so war es kein Wunder, dass sie diese Frucht, mit ihrem doch sehr afrikanischen Namen, als etwas sehr Wichtiges einschätzte und deshalb als Namensträger behandelte. Dazu kam ihr Vorschlag, die Anlage Lodge zu nennen, weil wohl die meisten Menschen dies mit einer Anlage in einem Wildreservat in Verbindung bringen. Damals fing es mit dem Wild erst an, heute ist es Fakt. Ist die Frage damit beantwortet?“

„Ja, absolut zufriedenstellend“, brummte Benno zustimmend.

„Dann werde ich mal den Bartender einwinken. Auf einem Bein kann man ja nicht stehen“, verkündigte Ismael lachend, und pfiff nach der Bedienung,

Schnell war alles versorgt, dann standen, ausnahmsweise durch erhobene Hände, nicht durch Zwischenrufe angezeigt, zwei weiter Fragen an, von Sandra und von Susi. Deren Thema war zu erwarten, so fragte Ismael zuerst Sandra.

„Mich würde nur mal interessieren, wie denn in Afrika so eine Haustaufe abläuft, womöglich mit einem einheimischen Medizinmann?“, fragte Sandra, halb lachend.

„Nun ja, fast“, antwortet Mebina ebenfalls lachend. „Dazu wurde das Taufbecken, in dem mein Sohn gerade, nach allen Regeln der hiesigen Kirche eingetaucht und dabei getauft wurde, zum Haus transportiert, das Weihwasser an einen der Stützpfeiler des ersten Teils des Baumhauses gekippt und der Pfarrer erteilte seinen Segen und gab dem Bauabschnitt den Namen für die spätere gesamte Anlage. Sehr zum Ärger des Pfarrers tauchte dann, mit großem Geschrei, unser damals noch lebender Schamane auf. Er köpfte vor den versammelten Gästen einen Hahn, von uns bezahlt natürlich, und bespritzte mit dem hausquellenden Blut, den eben vom Pfarrer geweihten Pfeiler. Dazu kam von ihm, in seiner Stammessprache, natürlich auch so eine Art Segensspruch.“

„Der allerdings seltsam endete“, ergänzte Ismael grinsend. „Möge dies bewirken, dass dieses Haus von seinen Besuchern immer wieder aufgesucht werden muss, der Liebe wegen. Ihr wisst also, was euch blüht, ihr alle werdet alle wiederkommen.“

„Also das mit der Liebe hat irgendwie bereits Wirkung gezeigt“, gestand ausgerechnet Linda. Vom Lachen anderer Gäste begleitet.

„Und jetzt ist wohl meine Frage dran, was geschah mit Pele und Toto?“, meldete sich unvermeidlich Susi.

„Was soll’s. Pele hat ja die Geschichte später veröffentlicht“, gab Ismael zu. „Nach dem Geschimpfe mit dem armen, missverstandenen Zimmermädchen, flüchteten die beiden hoch an den Teich. Dort sollte es dann zu Sache gehen. Toto, der kleine Tunichtgut, hatte sogar ein Handtuch stibitzt, wahrscheinlich das von Ursa, damit die beiden sich bequem auf dem Boden ausbreiten konnten. Nachdem Toto gerade am eindringen, bei der anscheinend sehr gierig darauf wartenden Pele war, kame eine kleine Horde Ngiris, unsere hiesigen Wildschweine, auf sie zu. Sie mussten flüchten, meine Schwester hatte das Pech scheinbar gepachtet.“

„Was ne Schei … ups, was ‘ne Schande“, ließ sich Susi vernehmen, „und?“

„Toto, der Schlemihl, besuche sie noch in der Nacht, verbotenerweise auf ihrem Zimmer, schrieb Pele alias Susi Lovejoy in ihrer Geschichte. Am nächsten Tag führte unser Held sie hoch in das Schilffeld am See …“

„Wovon unsere Pechmarie“, lachte Mebina, „mit einem stark verletzten Hintern und ohne Höschen, nur mit dem T-Shirt von Toto bekleidet zurückkam. Ich musste unsere damalige Schwester holen, die Pele mit Jod behandeln musste.“

„Aua“, sagte Sabine.

„Was heißt aua“, sagte Ismael. „Eigenen Aussagen nach gab es danach zwar noch nackt Schwimmen im Pool, Sonstiges aber nur noch in ihrem Zimmer, in der Nacht, wenn die Eltern schliefen. Wobei die erste Nacht, mit dem verletzten verlängerten Rücken von Pele, etwas kompliziert war. Das alles aber könnt ihr in den Magazinen des Verlags nachlesen. Jetzt ist Schluss damit, sonst gibt es hier auch wieder eine unruhige Nacht“, schloss Ismael seine Vorstellung ab.

„Wer Lust hat, kann aber noch in die Bar, dort gibt es Marulaschnaps und Marulalikör, für unsere Gäste heute kostenlos“, schloss auch Mebina ab. Sie eilte mit ihrem Mann nach Hause. Die Geschichte um Pele hatte sie hüpfig gemacht.

Die anderen stürmten zuvor die Bar, ehe auch sie den Worten des Schamanen erlagen: der Liebe wegen.

Written by: rokoerber

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