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Ein halbes Jahr USA - Teil 03

by Reiselust©

Ich stellte schnell fest: Schule in den USA ist etwas komplett anderes als in Deutschland. Erstmal hat man jeden Tag die gleichen Fächer in der exakt gleichen Reihenfolge. Die konnte man aber in einem gewissen Grad frei wählen und die Auswahl ist viel größer als in Deutschland. Ich entschied mich für 1. Stunde: Fitnesstraining, 2. Stunde: Mathe, 3. Stunde: Englisch, 4. Stunde: Chemie, 5. Stunde: lunch break (Mittagspause), 6. Stunde: Freistunde: 7 Stunde: American Politics, 8. Stunde: Chor.

Das Niveau der Fächer war abgesehen von American Politics und Mathe ein einziger Witz. Es gab in jedem Fach jeden Freitag einen „Test" - meist zum Ankreuzen. Und wenn man die Hausaufgaben gemacht hatte, wusste man alle Antworten. Außerdem gab es Punkte für jede gemachte Hausaufgabe. Alleine durch das abarbeiten der Hausaufgaben hatte man also am Ende des Halbjahres knapp 100% und damit ein „A". Gleichzeitig bedeutete das für mich aber auch, dass ich von nun an, anders als in Deutschland die Hausaufgaben wirklich machen musste.

Der Schulalltag war also eigentlich recht eintönig. Abseits des Unterrichts war es aber der helle Wahnsinn. In Deutschland kam ich bei den Mädels einigermaßen gut an. Mit meinen kurzen, blonden hochgegelten Haaren, meinen blauen Augen und meinem sportlichen, wenn auch nicht besonders muskulösen Körper war ich guter Durchschnitt, weder jemand, der alle Blicke auf sich zieht, noch jemand, der aufgrund seines Aussehens beim anderen Geschlecht Probleme hat.

Hier in Amerika war das plötzlich etwas völlig anderes:

Stephan und ich waren die Stars der Schule. Die meisten Mitschüler waren noch nie aus ihrem Kaff raus gekommen. Sie hatten zwar fast alle irgendwo deutsche Vorfahren oder jemanden, der mal in Deutschland gewohnt hatte, aber ein Deutschen kennengelernt hatten sie nie. Und da Stephan in Deutschland auch eine Freundin hatte, mit ihr aber kein Abkommen über erlaubtes Fremdgehen abgeschlossen hatte, war ich der Hauptgewinn in den Augen der meisten Mädels -- das war schon ein geniales Gefühl.

Nur bei Vicky kam ich einfach nicht weiter- Zum einen sahen wir uns nichts so häufig, wie ich am Anfang gedacht hatte. Zwischen den Schulstunden hatte man stets nur 5 Minuten Pause, was gerade dazu reichte, von einem Klassenraum in den nächsten zu laufen. Deswegen hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, vor der Mittagspause die Schulsachen für die ersten 4 Stunden dabei zu haben und sie dann gegen den Kram für die letzten Stunden zu tauschen. Da zudem Vicky und ich zu unterschiedlichen Zeiten Mittagspause hatten, sahen wir uns nur ab und zu vor der ersten oder nach der letzten Stunde.

Außerdem wurde ich aus ihren Verhalten nicht so ganz schlau. Sie war immer supernett zu mir und ich war mir eigentlich auch sicher, dass sie sich freute, wenn wir uns sahen. Gleichzeitig war sie aber auch irgendwie reserviert. Vielleicht hatte sie einen Freund, vielleicht stand sie einfach nicht auf mich -- keine Ahnung.

Ich erzähle natürlich auch Stephan davon. Er war inzwischen fast wie ein Bruder für mich geworden und wir sagten uns fast alles. Aber weiterhelfen konnte er mir aber auch nicht. Da sein Spind in einem komplett anderen Teil der Schule war, hatte er Vicky bisher nicht mal gesehen.

Mit der Zeit hatte ich die Sache dann auch mehr oder weniger abgehakt.

Nun ja, ich konnte mich trotzdem vor Einladungen kaum retten. Schon in der ersten Woche, wurden Stephan und ich von den beiden süßen Mädchen, die in Englisch hinter uns saßen, zu einem ersten Date eingeladen. Stephan war davon nicht so begeistert, war er doch in einer geschlossenen Beziehung, doch ich bettelte ihn an: „Komm schon. Du musst ja nichts mit der anfangen, aber die beiden gibt's nur im Doppelpack." Schließlich konnte ich ihn überreden und von da ab gingen wir alle ein bis zwei Wochen auf Dates. Zumindest für den Anfang. Denn erstens war meine Gastmutter nicht so begeistert davon, dass ich mich so oft „mit Freunden" traf und daher kaum Zeit zuhause mit ihr verbrachte und zweitens fing meine Beziehung mit Tanja an, darunter zu leiden.

Wir telefonierten mehrmals die Woche miteinander und während sie sich in den ersten Wochen für mich gefreut hatte, war sie inzwischen, verständlicherweise, genervt davon, dass ich so oft auf Dates ging und so viele neue Sachen erlebte. Während es also aus mir immer geradezu heraussprudelte, hatte sie kaum etwas zu erzählen. Wir fingen an und immer häufiger zu streiten und irgendwann erklärte sie dann, sie könne das mit der offenen Beziehung nicht mehr. Wenn ich unbedingt durch die Gegend vögeln wollte, dann solle ich das tun. Sie wäre dann aber weg. Ich verstand das. Sie lernte keine neuen Leute kennen und hatte dementsprechend auch nicht so leicht die Möglichkeit, irgendetwas mit jemandem anzufangen, ohne gleich an unserer Schule ihren Ruf weg zu haben, denn außer unseren engsten Freunden wusste natürlich niemand in Deutschland von unserer Vereinbarung. Und die Tatsache, dass ich so viel Spaß daran hatte auf Dates zu gehen, gab ich nicht gerade das Gefühl, dass sie mir besonders viel bedeutete.

Ich willigte also ein. Dates waren in Ordnung, aber mehr als ein Bussi auf die Wange war nicht drin. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich nicht das Gefühl so viel zu verpassen. Klar, war es ein unglaublicher Ego-Boost beim anderen Geschlecht plötzlich so beliebt zu sein. Und die Dates waren auch meist recht lustig. Aber Schmetterlinge oder ähnliches hatte ich bisher auch nicht gehabt. Außerdem machte ich mit der Zeit eine Erfahrung, die sich seither immer wieder bestätigte: Amis sind supernett und freundlich aber auch mega oberflächlich. Sie bieten dir bereits beim ersten Kennenlernen an, dass du immer zu ihnen kommen kannst, wenn du fragen hast, aber nach kurzer Zeit bist du schon „Old News" und sie grüßen dich nicht mal mehr.

Das Gute daran war aber, dass ich so recht schnell merkte, mit wem sich eine Freundschaft wirklich lohnte. Neben Stephan waren das Joe, ein ziemlicher cooler Typ aus der Fußballmannschaft und Shawn, ein total verrückter Mitschüler aus American Politics, der meine Liebe zu Heavy Metal teilte. Joe hatte bereits ein eigenen Auto und da Stephan und ich auf dem Weg von seinem Zuhause zur Schule wohnten, nahm er uns schon bald zur Schule und zum Fußballtraining mit.

Die Freundschaft zu Shawn offenbarte mir eine weitere Erkenntnis bzgl. Amerika. Als unter 21-jähriger ist es so gut wie unmöglich irgendwo an Alkohol zu kommen. Partys mit Gras gibt es dagegen jedes Wochenende. Und auf denen wurden auch die in der High School so sorgsam gepflegten sozialen Regeln, also mit wem man sich abgibt und mit wem nicht, ausgehebelt. Footballspieler, Wrestler und Metaller reichten sich die Bong und genossen nebeneinander ihren Rausch.

Neben den beiden genannten Jungs gab es auch noch Ashley, ein Mädchen aus der Chorgruppe. Äußerlich war sie überhaupt nicht mein Typ, aber charakterlich lagen wir auf einer Wellenlänge. Sie sprach mich am Ende der zweiten Woche nach der Schule an:

„Hm, du sollst also der heiße Deutsche sein. Ich hab mich ja schon darauf gefreut, dich flach zu legen, aber jetzt muss ich mir das noch mal überlegen", grinste sie mich an. „Aber ich hab so ne soziale Ader, wenn du willst, kannst du mich trotzdem auf ne Cola einladen." Ich wollte. Nach den ganzen oberflächlichen Schmeicheleien, die ich bisher erfahren hatte, war das eine willkommene Abwechslung. Aus der Cola wurde ein Abend im Autokino und als sie mich einige Tage später fragte, ob wir zusammen zum Homecoming gehen wollten, schlug ich sofort ein.

Homecoming war ein Ball an unserer Schule, zu dem man sich richtig fein raus putzt und auf jedem Fall mit einem Partner anderen Geschlechts auftauchen muss, wenn man nicht als totaler Verlierer gelten will. Mehr als Freundschaft war für mich ausgeschlossen, obwohl ich merkte, dass sich Ashley mehr und mehr in mich verliebte. Aber sie kam recht gut damit zurecht, dass ich kein Interesse hatte und so entwickelte sich eine super Freundschaft.

Mit Tanja lief es hingegen immer schlechter. Obwohl ich zugestimmt hatte, ihr treu zu bleiben, stritten wir uns nur noch. Sie warf wir vor, nur auf die Gelegenheit zu warten, die halbe Schule zu vögeln und sie nicht zu lieben. Ich ging immer seltener ans Telefon und ließ ihre Anrufe unbeantwortet. Als sie mir dann auch noch gestand, dass SIE vor kurzem jemanden geküsst hatte, war das für mich zu viel. Ich machte Schluss - und fühlte mich plötzlich von einer Zentnerlast befreit. So schnell kann es also gehen. Vor einigen Monaten konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit ihr zusammen zu sein und inzwischen ging sie mir nur noch auf die Nerven.

Zwei Wochen nach unserer Trennung war Homecoming. Wir trafen uns bei Ashley und außer uns beiden waren noch zwei Jungs im Punk-Look bei ihr, die ohne Dates gekommen waren -- Aaron und Jake. Ich stellte fest, ich war heillos overdressed. Mit feiner Hose, Hemd samt angesteckter Blume und sauber gegeltem Scheitel traf ich bei Ashley zuhause ein. Die Jungs hatten Baggyhosen, von Hand beschriftetet Shirts und mit Absicht falsch gebundene, viel zu kurze Krawatten an, während Ashley ein buntes Hippie-Kleid trug. Als ahnungsloser Ausländer wurde mir das aber nachgesehen.

Der Ball war der genial. Entgegen meiner Erwartung gab es Pop, Hiphop und Rock.Musik und alle tanzten wild durcheinander. Und dort traf ich auch Vicky. Sie sah natürlich wieder atemberaubend aus. Ein wirklich kurzes, schwarzes Kleid, dass ihre tollen Beine zeigte, und die vollen rotbraunen Haare hochgesteckt. Endlich hatten wir mal die Möglichkeit uns besser kennen zu lernen. Wir tanzten miteinander, unterhielten uns und verstanden uns prächtig. Am Ende des Abends machte eine Freundin noch ein paar Abschiedsfotos. Und zwei dieser Fotos steckten am nächsten Schultag in meinem Spind. Hatte ich doch Chancen?

Ich war unsicher und in den nächsten Tagen traf ich Vicky auch nicht am Spind-Doch nach zwei Wochen kam mir das Schicksal zu Hilfe. Joe war krank und konnte mich daher nicht zum Fußballtraining fahren und Rita musste arbeiten. Ich rief bei Stephan an, aber seine Gasteltern waren auch nicht zu Hause. Ich hatte also bereits akzeptiert, dass ich zuhause fest saß, als mir wieder die Fotos von Vicky in die Hände fielen. Und plötzlich sah ich, dass sie etwas auf die Rückseite geschrieben hatte: „Danke für den tollen Abend, wenn ich was für dich tun kann, melde dich, XOXO"..Darunter hatte sie ihre Telefonnummer geschrieben.

Wieso zur Hölle hatte ich zuvor nie die Rückseiten von den Fotos angesehen? Und konnte ich es jetzt echt bringen, sie anzurufen und zu fragen, ob sie mich zum Training fahren kann? Dass kam doch voll mies. Aber unser Soccer-Coach war sehr streng. Wenn wir nicht krank waren und trotzdem im Training fehlten, dann wurden wir am Wochenende nicht für das Spiel nominiert. Da half es auch nichts, dass wir als einzige keinen Führerschein hatten Es half also nichts, ich musste sie fragen

„Kein Problem, bin in 10 Minuten bei dir", rief sie, bevor ich überhaupt dazu kam, ihr zu sagen, wie peinlich es mir war, dass ich sie nicht ausnutzen wollte und ihre Nachricht erst jetzt gelesen hatte.

Es dauerte nicht einmal zehn Minuten und sie fuhr mit ihrem grünen Dodge unsere Einfahrt herauf. Auf dem Weg zum Training entschuldigte ich mich noch mal. Sie strahlte mich an: „Ich hab mich schon gewundert, warum du mich nicht angerufen hast, obwohl der Abend so schön war. Ich dachte schon du magst mich gar nicht. Ähm... also so rein als Freundin, meine ich."

Hm, war das jetzt eine Ansage ihrerseits, dass ich mir keine Hoffnungen auf mehr machen sollte? Ich überlegte: „Sie war eigentlich eindeutig nicht meine Liga. Aber andererseits haben wir uns beim Ball mega gut verstanden und jetzt ist sie direkt zu mir gekommen, um mich zum Training zu fahren." Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, weil wir plötzlich anhielten. Rechts am Straßenrand schleppte sich ein Junge mit einer Sporttasche joggend Richtung Schule -- Stephan. Er hatte wohl auch keine Lust gehabt, beim Spiel am Wochenende auszusetzen. Ich hatte noch bei ihm zuhause angerufen, um ihn zu fragen, ob wir ihn einsammeln sollen, aber er hatte nicht abgenommen. Vermutlich hatte er sich da schon zu Fuß auf den Weg gemacht. Er wohnte zwar deutlich näher zur Schule als ich, aber eine halbe Stunde hätte er auch mindestens gebraucht.

„Alter, hast du eine beschissene Kondition", rief ich ihm zu. Er drehte sich um und sah mich ungläubig an. Ich hatte ihm natürlich von dem tollen Abend beim Ball erzählt, aber er meinte nur: „Oh Mann, jetzt hör doch mal auf, dir immer Gedanken, um die Vicky zu machen. Hier laufen hunderte heiße Frauen rum, die dich wollen und jetzt wo mit Tanja Schluss ist, hast du freie Bahn. Das musst du doch ausnutzen." Und jetzt saß ich plötzlich bei Vicky im Auto. Kein Wunder, dass er verwirrt war. „Meine Mutter hat mir zwar gesagt, dass ich keine Anhalter mitnehmen soll, aber bei heißen Austauschschülern mache ich eine Ausnahme," lachte Vicky. „Also spring rein."

WAS? Ok, Stephan sah wirklich gut aus, aber dass Vicky ihn heiß fand, gefiel mir nun wirklich ganz und gar nicht. Stephan konnte die Situation aber sehr gut einschätzen und gab mir mit einem Blick zu verstehen, dass er mir nicht in die Quere kommen würde.

Kurz darauf waren wir an der Schule angekommen und wir stiegen aus. „Nochmal vielen Dank. Du hast uns echt den Arsch gerettet", verabschiedete ich mich von Vicky. „Kein Ding. Aber abholen kann ich euch nicht, da ich später selbst zum Tanztraining muss." „Meine Mum muss nicht so lange arbeiten und holt uns später ab", warf Stephan ein. „Vielen Dank fürs hinbringen".

Auf dem Weg in die Umkleidekabinen fragte mich Stephan: „War das Vicky? Die sieht ja echt mega süß aus". „Hab ich doch gesagt", stimmte ich ihm zu. „Aber Kollege -- Finger weg!". „Keine Sorge. Erstens bin ich glücklich vergeben und zweitens würde ich dir nie in die Parade fahren. Aber wie zur Hölle kommt es, dass du plötzlich von ihr zum Training gefahren wirst?"

„Ajo, ich hab sie angerufen und gefragt, ob sie mich zum Training fahren kann", entgegnete ich, als ob es das normalste der Welt wäre.

Jetzt klappte ihm die Kinnlade komplett herunter: „Du hast was? Hab ich irgendwas verpasst? Woher hast du überhaupt ihre Nummer" Der Arme verstand nun gar nichts mehr. Ich hatte ein Einsehen und erzählte ihm von der Nachricht auf den Fotos. „Hammer, Alter. Ich kann's kaum glauben. Ok, ich versteh jetzt, warum sie dir nicht mehr aus dem Kopf geht. Und ganz im Ernst, wenn sie dich extra abholt und zum Training fährt, hat sie definitiv Interesse."

Da hatte er zwar Recht, aber so ganz überzeugt war ich aber immer noch nicht. Es schien irgendwie zu schön, um wahr zu sein. Aber auf jeden Fall, war der erste Schritt getan. Jetzt musste ich nur am Ball bleiben.

Als ich nach dem Training wieder zu Hause war, hätte ich Vicky am liebsten direkt angerufen. Aber Stephan hatte mir empfohlen, mindestens einen Tag zu warten, um nicht zu „needy" zu wirken. Ich hasste diese Spielchen, aber ich wusste aus eigener Erfahrung, dass er Recht hatte. Ich zwang mich also durchzuhalten und sie nicht anzurufen. Aber eine Sache ging mir nicht aus dem Kopf. Sie hatte auf der Fahrt zum Training von sich aus angehalten als sie Stephan sah und wusste scheinbar ganz genau, wer er war. Und das obwohl er sie nach eigener Aussage noch nie (bewusst) gesehen hatte. Und sie fand ihn ganz offenkundig heiß.

Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen und die Euphorie, die sich die letzten zwei Stunden in mir ausgebreitet hatte, war wie weggefegt. Ich konnte mir zwar sicher sein, dass Stephan nichts von Vicky wollte und selbst wenn, er nie etwas versuchen würde, aber das brachte mir nicht viel, wenn sie auf ihn stand.

In dieser Nacht träumte ich von Vicky. Wir waren zusammen beim Ball und tanzten miteinander. Plötzlich drehte sie sich weg, rannte zu Stephan, umarmte ihn und die beiden fingen an, wild miteinander herumzuknutschen.

Shit -- es hatte mich voll erwischt.

Am Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Rita fragte ich beim Frühstück besorgt, ob ich krank sei und heute lieber zu Hause bleiben wollte. Ich überlegte kurz. Einerseits hatte ich gerade keine Lust, mit Joe und vor allem Stephan zusammen zur Schule zu fahren und war mir auch nicht ganz sicher, ob ich Vicky sehen wollte. Andererseits konnte Stephan ja nichts dafür, dass ihn Vicky heiß fand und irgendwie wollte ich langsam mal Klarheit haben -- egal was am Ende dabei herauskam. „Es geht schon", antwortete ich daher.

Als ich an der Schule ankam, wartete Vicky schon am Spind auf mich und sah mich vorwurfsvoll an. „Na vielen Dank! Nachdem ich dich zum Training gefahren hab, hättest du gestern Abend echt mal anrufen können." Sie schien wirklich verletzt und wütend. „Sorry, ich war gestern total müde und hab mich nicht gut gefühlt" entschuldigte ich mich. Ich war ziemlich verwirrt. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Sie schaute mich prüfend an, dann wurde ihr Blick weicher. „Naja", meinte sie schon etwas weniger wütend, „du siehst echt ziemlich fertig aus."

„Oh, danke. Du bist heute aber charmant", sagte ich mit gespielter Empörung. Jetzt grinste sie. „Ja, ich weiß, das liegt mir einfach im Blut. Aber dafür verzeihe ich dir. Was machst du Samstag Abend? Ich treff mich mit ein paar Freunden bei meiner besten Freundin und du bist auch eingeladen."

„Ah so, damit du mich weiter fertig machen kannst?" lachte ich. „Klar, bin dabei. Wäre aber super, wenn du mich abholen kannst. Du weißt ja, dass ich weder Auto noch Führerschein habe."

Jetzt strahlte sie wieder. „Abgemacht. Freue mich auf Samstag:"

Bis Samstag waren es noch drei Tage und die vergingen quälend langsam. Als ich Rita erzählte, dass ich mich am Samstag mit Vicky treffen wollte, horchte sie auf und schien plötzlich sehr interessiert. Ich hatte ihr natürlich gestern Abend erzählt, dass mich eine Mitschülerin zum Training gefahren hatte. „Wer ist denn diese Vicky? Und bei wem trefft ihr euch? Sind da Eltern dabei? Hast du eine Telefonnummer?" Ich verdrehte die Augen. Hallo, ich war doch kein kleines Kind mehr. Notgedrungen erzählte ich ihr die wichtigsten Infos. „Vicky hat in der Schule den Spind neben mir und ist wirklich sehr nett. Ihre Freundin heißt Erin, die kenne ich aber nicht so gut und ich hab keine Ahnung, ob ihre Eltern am Samstag auch da sind:" „Generell hab ich nichts dagegen, aber ich brauche auf jeden Fall die Telefonnummer dieser Freundin und muss davor mit den Eltern reden."

Alter Schwede, war das peinlich. Jetzt musste ich also Vicky nach der Nummer ihrer Freundin fragen, damit meine Helikopter-Gastmutter dort anrufen konnte. Im Deutschland war so etwas das letzte Mal passiert, als ich in der Pubertät war. Aber es half ja nichts, ich rief Vicky also an und erzählte ich von Ritas Reaktion. Sie war überrascht, dass mich das ärgerte: „Meine Eltern haben auch die Nummer von meinen Freunden. Und mein Vater hat bei Erins Eltern auch schon angerufen und sich wegen Samstag erkundigt." „Echt?", fragte ich erstaunt. „Na, dann muss es mir wenigstens nicht so peinlich sein. Aber in Deutschland bin ich am Wochenende oft weg und übernachte auch manchmal bei Freunden. Und meine Eltern können froh sein, wenn ich Ihnen sage, wo ich bin und wann ich wieder komme." „Boah, habt ihr es gut", seufzte Vicky. „Meine Eltern würden ausrasten, wenn ich einfach so woanders übernachte." Die Amis waren echt verrückt.

Nachdem ich Rita die Nummer von Erins Eltern gegeben hatte und sie sich vergewissert hatte, dass sie am Samstag zuhause waren und es weder Alkohol noch irgendwelche Drogen geben werde, gab sie ihr Einverständnis. Ich sollte aber spätestens um 24 Uhr zu Hause sein. Diese Regel kannte ich inzwischen. Länger als 24 Uhr durfte ich nur weg, wenn Rita oder ihr Mann mit mir unterwegs waren.

Das Treffen am Samstag verlief perfekt. Außer Vicky und Erin, waren noch zwei Freunde der beiden dabei -- Ryan und Britney. Die beiden waren super nett und lustig. Und vor allem Erin, hatte mich scheinbar direkt ins Herz geschlossen und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie hatte wilde rote Locken und schien immer gut gelaunt zu sein. Sie war zwar äußerlich nicht mein Typ und hatte einiges auf den Rippen, aber ihre Fröhlichkeit und das Leuchten in ihrem Augen waren einfach ansteckend. Sie war in der Gruppe die einzige Raucherin und als sich Vicky einmal auf die Toilette verabschiedete, zog sie mich ohne zu fragen auf den Balkon und verkündete, sie müsse mal mit mir sprechen.

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