Category: Erotische Verbindungen Geschichten

Karibische Träume in der Vorstadt

by RomeoReloaded©

Der Car-Port ist neu, der überdachte Eingang auch. Die Büsche im Vorgarten sind groß geworden, aber das Haus erkenne ich eindeutig wieder. Unschlüssig druckse ich vor dem Eingang herum. Was will ich hier eigentlich nach all der Zeit? Was sage ich, wenn sie die Tür öffnet?

Das ist doch alles Quatsch. Ich gehe zu meinem Auto zurück, habe schon die Tür in der Hand, werfe beim Einsteigen einen letzten Blick auf das Haus. Einen Abschiedsblick. Ich verharre. Ach, Mensch, das ist doch auch Mist. Jetzt bin ich extra her gefahren, jetzt klingele ich auch.

Diesmal also ohne Zögern zur Tür. Nur keine Pause, sonst ändere ich meine Meinung wieder. Rasch entschlossen auf die einzige Klingel gedrückt. Dann warten. Mir ist mulmig. Ich höre Schritte, die Tür geht auf und Sybilles Geist steht im Türrahmen.

Nein, korrigiere ich mich sofort, nicht Sybilles Geist, sondern eine junge Frau, die der Sybille von damals sehr ähnlich sieht und die gleichzeitig ganz anders ist.

„Ja?" Die Frage kommt fröhlich, offenherzig. Ich beruhige mich etwas.

„Äh, ist Sybille da?"

Ihr Blick verändert sich. Plötzlich liegt eine Weite und Tiefe darin, als würde sie aufs Meer hinausblicken. Die junge Frau, offensichtlich Sybilles Tochter, hat die nordische Schönheit ihrer Mutter geerbt. Beim Anblick des kleinen Näschens, der blassen Augen, der hellen, fast weißblonden Augenbrauen und Haare und der locker verstreuten Sommersprossen muss ich sofort an die Weite eines Nordseestrandes denken, mit Muscheln, Kieselsteinen und Fußspuren im weißen Sand.

„Was wollen Sie denn von ihr?"

Ich kann den Tonfall nicht deuten. Neugier, Skepsis, Ablehnung, Zärtlichkeit ... von allem ein bisschen liegt jetzt in ihrer Stimme, und noch etwas anderes.

„Ich kenne sie von früher. Du bist die kleine Ela, oder?"

„Manuela, ja." Sie ist irritiert. „Kennen wir uns?"

Ich lächele. „Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch ein Kleinkind. Damals nannte Sybille dich Ela."

„Meine Freude nennen mich immer noch Ela." Aber du bist nicht meint Freund, heißt das. Ich kenne dich nicht. Trotzdem habe ich irgendetwas in ihr berührt. Sie ist unsicher, was sie von mir halten soll, wie sie mit mir umgehen soll. Ich gebe ihr Zeit zum Überlegen.

Wie alt ist sie jetzt? Noch ein Teenager oder schon nicht mehr? Sie ist sehr groß und schlank, ein paar Zentimeter größer als ich. Ihre Haare sind nach hinten gebunden, ein kurzes Knäuel weißblonder Locken schaut aus dem Haarband. Weiße Sneaker, enge Blue Jeans mit den obligatorischen Löchern an den Knien, eine eng geraffte weiße Bluse, die ihren Busen straff einpackt. Keine richtig großen, aber durchaus ordentliche Brüste.

„Möchten Sie 'nen Kaffee oder so?"

Aha, die Neugier hat gesiegt. „Ist Sybille denn da?"

„Kommen Sie rein." Sie winkt mich ins Haus, geht vor mir durch den Flur in die Küche.

„Wasser, Saft, Kaffee?", fragt sie.

„Kaffee. Schwarz. Danke." Sie nickt, macht sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Ich setze mich an den Esstisch. Moderne Einrichtung, ebenso nordisch kühl wie Sybilles und Elas Teint. Am Kühlschrank sind Zettel mit debil grinsenden Smiley-Magneten befestigt. Unbewusst starre ich Ela auf den Hintern. Flach und fest ist er. Dadurch wirkt sie noch einmal wie in die Höhe gestreckt, die flachen Backen scheinen ihre ausgesprochen schlanken Beine in der hautengen Hose nach oben zu verlängern.

„Ist Sybille überhaupt da?" frage ich noch einmal.

Sie atmet tief ein. „Mama ist seit einem Jahr nicht mehr da."

„Was? Ist ihr was zugestoßen?"

Ela schüttelt gerade so eben erkennbar den Kopf. „Nicht, dass wir wüssten." Sie blickt mich direkt an, prüft meine Reaktion. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. „Aber was ist dann los?"

Sie lehnt jetzt mit dem Hintern an der Arbeitsplatte, verschränkt die Arme. Mein Unterbewusstsein notiert, wie die Arme dabei ihre Brüste einrahmen, sie ganz leicht anheben, als sie mit den Schultern zuckt.

„Keine Ahnung. Nicht die geringste. Ein nichtssagender Abschiedsbrief und ein leer geräumtes Konto, mehr hat sie uns nicht hinterlassen. Seitdem keine Spur."

Ich lehne mich im Stuhl zurück, blicke aus dem Fenster. Sybille, Sybille. Unglaublich. Ganz langsam formt sich in meinem Kopf ein Bild. Das hätte niemals erwartet.

Ela stellt mir den Kaffee hin, gießt sich selbst ein Wasser ein und setzt sich zu mir. Auch im Sitzen ist sie noch größer als ich, es liegt also nicht nur an den endlos langen Beinen.

„Und dein Vater?"

„Papa kommt jeden Moment nach Hause." Versuch bloß keine komischen Sachen, heißt das. „Sie kennen Mama von früher?"

„Ja." Ich lächele, als Erinnerungen in mir aufsteigen. „Damals warst du ... warte ... wie als bist du jetzt, wenn ich fragen darf?"

„Zwanzig."

„Dann warst du damals drei Jahre alt. Ein sehr süßes Mädchen." Und das bist du immer noch, aber wenn ich das sage, wirfst du mich bestimmt raus.

„Und seitdem?"

„Haben wir uns zu Weihnachten Postkarten geschrieben. Sonst nichts, aber das sehr regelmäßig."

Ihre Augen leuchten plötzlich auf. „Sind sie der Architekt? Der immer Postkarten mit so modernen Gebäuden drauf geschickt hat?"

Ich muss lachen. „Ja, ich hab's nicht so mit Weihnachtskitsch. Ich steh mehr auf so moderne Gebäude. "

Sie wirkt plötzlich lebhaft. „Als Kind fand die immer voll doof. Das sind doch keine Weihnachtskarten! Und trotzdem habe ich immer drauf gewartet, dass wieder so eine kommt. Weil die eben so anders waren. Niemand sonst bekam solche Weihnachtskarten."

Sie sieht mich jetzt ganz anders an. Als wenn die Wolken über dem Meer aufgerissen wären, und die Sonne schiene durch. „Das waren also immer sie? Diese ganzen Jahre?"

„Peter. Wir kennen uns schon siebzehn Jahre, da können wir uns auch duzen, oder?"

„Ela. Ach so", lacht sie, „Das weißt du ja schon. Aber trotzdem, ich verstehe das nicht. Nur Postkarten, Jahr für Jahr! Was war das denn für eine seltsame Freundschaft zwischen Sybille und dir?"

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was sagt man der Tochter einer Frau, mit der man früher mal intim war? Ich dachte, ich hätte einfach ratlos geguckt, aber offenbar hat mein Gesicht mehr verraten, als ich wollte.

Ela reißt vor Erstaunen Mund und Augen auf, zeigt mit dem Zeigefinger auf mich: „Ihr ... ihr hattet was miteinander, stimmt's? Mein Gott."

Ich schweige betreten. Sie schnappt sich ihr Glas, nimmt einen Schluck. „Los, raus mit der Sprache", fordert sie. Ich weiß, dass sie nicht lockerlassen wird. Die Idee, dass ihre Mutter eine Affäre hatte, fasziniert sie bis in die Haarspitzen.

Ich seufze, gebe dann aber nach. „Ich war damals zwanzig und unerfahren. Sybille war fünf Jahre älter, verheiratet und Mutter. Sie war wunderschön, auf so eine leichte und beschwingte Art, wie sonst niemand, den ich kannte. Du hast das von ihr geerbt."

Sie wirft mir einen dieser komplizierten Blicke zu, die nur Frauen drauf haben. „Danke für das Kompliment", sagen ihre sanft blickenden Augen. „Bild dir bloß nichts ein", sagen die zusammengepressten Lippen. „Erzähl weiter", ermuntert mich der schräg gehaltene Kopf.

„Ein jüngerer Mann also, o lá lá, Mama."

„Ja, das war damals noch viel ungewöhnlicher als heute. Allein das wäre schon ein Skandal gewesen. Und dann war es ja auch noch Ehebruch ... wirklich eine amour fou."

„Hast du sie geliebt?"

„Schmerzlich. Weil ich ja wusste, dass aus uns nichts werden kann. Darum bin ich am Ende des Sommers auch weggegangen und habe in Stuttgart weiter studiert - wir hatten keine Zukunft. Aber ich habe sie nicht vergessen."

„Und jetzt bist du hier." Sie breitet die Arme aus, als wolle sie sagen: „Unglaublich, das alles." Plötzlich schaut sie kritisch, bekommt die eine senkrechte Falte auf der Stirn, genau wie bei Sybille. Es sieht zum Hinschmelzen süß aus.

„Und warum bist du auf einmal vorbei gekommen? Nach all den Jahren."

Was soll ich sagen? Ich wende meinen Blick von ihr ab, lasse ihn durch den Raum schweifen, aber da grinsen nur die Magnetsmileys ihr eingefrorenes Idiotengrinsen. Die Wahrheit, Peter, sie hat ein Recht darauf.

„Ich bin auf der Durchreise und dachte, ich schaue mal bei Sybille vorbei. Jetzt, wo sie sich ihren Traum erfüllt hat. Dachte ich."

Elas Mundwinkel gehen runter. Die Wolkendecke über dem Meer schließt sich wieder. „Welchen Traum?"

Ich drehe meine fast leere Kaffeetasse hin und her. „Du hast nicht gefragt, warum Sybille damals überhaupt was mit mir angefangen hat. Sie war nicht glücklich. Sie hat euch zwar geliebt, deinen Vater und dich. Dich hat sie abgöttisch geliebt." Ich muss lächeln, wenn ich daran denke. „Sie war so süß mit dir."

„Aber sie war nicht glücklich." Ela schaut jetzt auch nicht glücklich. Wer will sowas auch über seine Mutter hören?

„Sie hatte das Gefühl, dass sich eine Tür nach der anderen schließt. Dass ihr Leben immer mehr in festgelegten Bahnen verläuft, während ihre Träume verfliegen. Und dein Vater war zwar ein guter Mann und ein toller Vater, aber er war eben auch sehr ... bürgerlich. Sehr an den üblichen Vorstellungen orientiert, was man tut und was nicht."

„Ja, das kenne ich." Sie lässt sich auf dem Stuhl nach hinten rutschen, streckt die Beine aus. Streift dabei meine Beine, guckt leicht verlegen und dreht sich leicht zur Seite, um die Berührung zu vermeiden. „Mama wollte immer, dass ich rausgehe und Sachen machen. Je mehr, desto besser. ‚Mich ausprobieren', nannte sie das. Wenn Mama nicht gewesen wäre, hätte ich in keinen Club gehen dürfen, bevor ich achtzehn war. Papa hat immer Angst um sein Töchterchen. Ist irgendwie süß von ihm, aber auch total ätzend."

„Und, hast du ‚dich ausprobiert'?"

„Hm, ich bin nicht wie Mama. Auch nicht wie Papa, mehr sowas dazwischen ... ach, egal. Jedenfalls will ich keine sensationellen Sachen machen. Ich treff gern meine Freundinnen, geh gern shoppen, in die Sauna, zum Wellness... so Sachen halt."

Sie blickt sinnierend vor sich hin. „Was war das mit Mamas Traum?"

„Sie hat davon geträumt, hier rauszukommen. Weg von der gutsituierten Neubauwüste hier, hat sie es genannt. Sie wollte Sonne, Strand, luftige Kleider, entspannte Menschen, die tanzen und lachen und alles andere nicht so wichtig nehmen."

„Klingt nach Mama, ja."

„Sie hat immer von Kuba geträumt. Von einem armen, aber guten und freien Leben. Dabei war Kuba damals schon ganz schön runtergekommen. Nach dem Ende der Sowjetunion haben die Russen ihre Karibikinsel im Stich gelassen, und damit ging es dort bergab."

Ela ist jetzt ganz Ohr. Ich merke, wie es mich zu ihr hinzieht. Wenn ich mich so an die alten Geschichten mit Sybille erinnere, und dann in diese unglaublich junge, schlanke Frau vor mir sehe, die Sybille so ähnlich scheint, dann kommt mir schon einiges durcheinander. Peter. du bist nicht mehr zwanzig, ermahne ich mich. Na und, genau darum darfst du deinen Erinnerungen nachhängen und dir ein paar Fantasien erlauben, antworte ich mir. Tut ja keinem weh.

„Wann genau ist sie verschwunden?", frage ich.

„Sechsundzwanzigster Juni. Letztes Jahr", kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen.

„Ich habe letzten Dezember eine Weihnachtspostkarte von ihr bekommen, wie immer."

„Was?" Ela ist wie elektrisiert, beugt sich über den Tisch. Ihr Gesicht mit den blassen Haaren ist so nah vor mir, dass ich unwillkürlich an Dünen denken muss, an Sand und blasse Gräser darin. Gott, sie ist wirklich ein schönes Mädchen.

„Eine Postkarte aus Havanna. Sie schrieb was von: es ist alles genau, wie ich es mir immer vorgestellt habe, nur noch viel schöner."

Ela sackt wieder in sich zusammen. Ich spüre das dringende Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten.

„Na, schön zu hören, dass es Mama gut geht und bei ihr alles toll ist. Echt jetzt, sie hätte uns ja auch mal schreiben können. Wenigstens mir." Ela sieht blickt mit einem rätselhaften Gesichtsausdruck an. „Du bist der einzige Mensch, bei dem sie sich gemeldet hat, seit sie weg ist. Wenigstens, soweit wir wissen."

Das überrascht mich jetzt auch.

„Wie gut habt ihr euch damals eigentlich gekannt?", fragt sie leise.

Das ist alles ein bisschen viel für sie. Sie findet gerade ihre Mutter wieder, aber sie findet eine andere Frau als die, an die sie sich erinnert. Und diese Frau hat sie im Stich gelassen, daran gibt es keinen Zweifel. Ela freut sich, von Sybille zu hören, gleichzeitig ist sie sauer und traurig. Oder will traurig sein, kann es aber nicht. Noch nicht.

„Es war ein langer Sommer. Heiß, man könnte fast sagen, karibisch heiß. Damals haben deine Eltern das Haus hier bauen lassen. Deine Mutter hat regelmäßig die Baustelle besucht, um zu prüfen, ob die Bauarbeiter auch fleißig sind und nicht rumtrödeln. Die Idee stammte natürlich von deinem Vater. In Wirklichkeit hat Sybille nur alle von der Arbeit abgehalten."

„Das kann ich mir vorstellen. Mamas Busen ist doch der feuchte Traum jedes Bauarbeiters."

Ich bin überrascht über ihre Ausdrucksweise, muss aber nicken. „Ja, Sybille hatte wirklich beeindruckende Brüste."

„Stehst du auf große Busen?", fragt sie und zieht ihre Bluse fest nach unten, dass sie sich wieder sauber um ihre Figur spannt. Elas Brüste sind kleiner als Sybilles, aber ausgesprochen appetitlich.

„Ich war damals zwanzig und völlig unerfahren. In dem Alter stehen alle Jungs auf weibliche Kurven, je üppiger, desto besser. Also ja, ich fand ihre großen Brüste wundervoll. Inzwischen hat sich mein Geschmack verfeinert, was Frauen angeht. Ich schätze individuelle Schönheit und gute Proportionen. Meine Güte, das ist ja peinlich, jetzt rede ich mit dir über die Kurven deiner Mutter."

Ela macht eine wegwerfende Handbewegung. „Damals war wohl einiges noch einfacher. Heute haben die Jungs zu viele Pornos aus dem Netz gezogen und wollen diesen Quatsch dann nachspielen." Sie schüttelt den Kopf.

„Probleme mit deinem Freund?", traue ich mich zu fragen.

Wieder ein Kopfschütteln. „Ich hab' keinen Freund. Ich hatte schon welche, aber seit Mama weg ist, nicht mehr."

Schweigen.

„Noch Kaffee?"

„Eigentlich nicht, nein."

„Sonst was? Schnaps?"

„Ich könnte einen vertragen, ehrlich gesagt, Aber nicht mehr als einen, ich bin mit dem Auto da."

Ela nickt. „Ich kann auch einen vertragen. Papa hat guten Gin, warte mal eben."

Sie steht auf und geht rüber ins Wohnzimmer. Wieder kann ich nicht umhin, ihre schlanke Figur zu bewundern. Wie ein Bambusstab, fest und biegsam zugleich. Du meine Güte, Peter, reiß dich zusammen. Sie ist nicht wie Sybille, das hat sie selbst gesagt. Sie träumt vom Shoppen mit ihren Freundinnen, nicht vom Leben als Hippie.

Ela setzt die Flasche unsanft auf dem Tisch ab. Monkey 47, alle Achtung. Der leckere Schwarzwald-Gin. Stumm trinken wir einen. Ela kippt gleich noch einen zweiten hinterher.

„Ich war sowas von sauer auf Mama, das kannst du dir nicht vorstellen. Einfach so abzuhauen. Ohne Begründung, nur so ein ‚macht euch keine Sorgen, ich habe euch lieb, aber das ist nicht mehr mein Leben'. Billige Melodramatik wie in den Romanen, die ich mit fünfzehn gelesen habe."

Sie dreht das Glas zwischen den Fingern.

„Eigentlich bin ich immer noch sauer."

„Du musst drüber wegkommen. Du kannst ja nicht ewig schmollen und keinen Freund haben."

„Ha." Erstaunlich, dass man so viel ätzende Verachtung in eine einzige Silbe legen kann. „Danke, dass du mir von der Postkarte erzählt hast. Es tut trotz allem gut, zu wissen, dass es Mama gut geht. Hätte ich fast nicht mehr gedacht, dass mir das so wichtig ist."

Sie sieht mir direkt in die Augen, und diesmal ist der Himmel zwar immer noch wolkenverhangen, aber gerötet von einem kitschigen Sonnenuntergang. „Ich vermisse sie. Scheiße, ich vermisse sie jeden verdammten Tag. Ich will, dass sie wiederkommt."

Schwierig, hier die richtigen Worte zu finden. „Aber wenn sie jetzt glücklich ist?"

„Und was ist mit mir?"

„Du hast dein eigenes Leben."

„Noch so'n Spruch aus 'nem billigen Roman. Ich hab sie lieb. Und sie geht weg. Das tut weh, so einfach ist das."

„Du musst Abschied nehmen, Ela. Trauern. Versuch es mit einem Ritual, so wie man von Toten mit einer Beerdigung Abschied nimmt."

„Ja, ja, das sagt Papa auch. Es gibt aber kein beschissenes Ritual, um eine Mutter zu verabschieden, die einen einfach im Stich lässt."

Der Wunsch, sie in den Arm zu nehmen, wird allmählich übermächtig. Besser, ich breche bald auf.

„Eins noch", bitte ich sie, „habt ihr noch dieses Gartenhaus?"

„Was?" Ela muss erst mal wieder aus ihrem Selbstmitleid auftauchen. „Du meinst, den Schrebergarten?"

„Ja, genau."

„Den haben wir noch. Nicht, dass wir ihn bräuchten, wir haben ja hier schon genug Garten. Aber Papa ist ein Pflanz-Freak, der kann gar nicht genug Garten haben. Ich bin nur manchmal da, wenn wir zusammen grillen."

Erst jetzt scheint ihr aufzugehen, was für eine seltsame Frage ich da gestellt habe. „Warum interessiert dich das eigentlich?"

Ich grinse. „Was meinst du, wo wir unsere Tête á Têtes hatten? Auf der offenen Baustelle?"

Ela richtet sich auf. „Echt jetzt? Ihr habt es da getan? In dem Gartenhäuschen? Nicht sehr luxuriös."

„Das war uns egal. Kann ich es noch mal sehen?"

Ela springt auf. „Kein Problem." Offenbar regt die Vorstellung sie an, an den Ort der Jugendsünden ihrer Mutter zurück zu kehren. Ob sie hofft, Sybille und mich dort in flagranti zu erwischen?

Nach einem prüfenden Blick aus dem Fenster schnappt sich Ela noch einen Schirm und schon sind wir auf dem Sprung. Wie federnd ihr Gang ist! Zwanzig müsste man sein, nicht siebenunddreißig. Zum Glück hat sie flache Schuhe an, durch ihr Hüpfen wirkt sie sowieso schon größer. Und sie ist so schlank, wie es eben nur junge Frauen sein können, diese dünnen Arme, Beine, einfach wow, das alles.

„Wie hat es eigentlich angefangen zwischen euch?", will sie wissen.

„Deine Mutter hatte ein Auge auf mich geworfen. Ich habe in den Semesterferien auf der Baustelle gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren."

„Hart. Student auf dem Bau."

„Für einen Architekturstudenten macht das 'ne Menge Sinn. Da lernt man die Grundlagen. Und mit Sybille habe ich dann auch noch Grundlagen fürs Leben gelernt."

„Stand sie auf deinen tollen Body?"

„Du wirst lachen, das hat sie behauptet. Und dann gegrinst, als ich rot wurde. Eigentlich glaube ich, dass sie sich mit mir einfach besser unterhalten hat als mit den Bauarbeitern. Meine Interessen waren breiter gestreut."

„Kann sein, muss aber nicht. Vielleicht war auch einfach dein Kreuz breiter gebaut."

Jetzt muss ich lachen. „ja, vielleicht. So schlecht sah ich damals nicht aus. Und wir haben eigentlich immer oben ohne gearbeitet. Da kann frau sich schon ein gutes Bild machen."

„Siehste. Und dein Kreuz ist echt breit."

Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Wir biegen um die Ecke und stehen vor dem Eingang zur Schrebergartenkolonie. Ein seltsames Gefühl, hier einfach so reinzugehen und sich nicht durch die Büsche hineinzuschleichen.

„Und du fandest sie auch gleich attraktiv?"

„Mehr als das. Sybille war auf eine einzigartige Weise schön. Sie war ein Gedicht von einer Frau! Und sie war jemand, ich meine, ich schuftete da an ihrem Haus - sie war der Boss. Älter als ich, Mutter, also hatte sie Erfahrung in der Liebe. Sie spielte in einer ganz anderen Liga. Wie Aschenputtel und der Märchenprinz, nur umgekehrt."

Ela kichert. „Kann ich mir gar nicht vorstellen. Du als Aschenputtel."

„Du würdest auf jeden Fall eine gute Märchenprinzessin abgeben." Als es mir rausrutscht, erschrecke ich über mich selber. Ich könnte mich ohrfeigen! Was muss sie von mir denken!

„Pah. Ich bräuchte eher selber ne gute Fee, die mir drei Wünsche erfüllt." Sie scheint meinen Kommentar nicht unpassend zu finden.

Bevor ich nachfragen kann, was sie sich wünscht, sind wir schon da. Der Garten. Das Holzhäuschen. Das Häuschen erkenne ich wieder, auch wenn es inzwischen weiß gestrichen wurde, und die Farbe auch schon wieder abblättert. Der Garten selbst ist komplett anders gestaltet.

Category: Erotische Verbindungen Geschichten