Category: Keine Erotik Geschichten

Ein armer Tor

by Gorn1234©

Hier steh ich nun, ich armer Tor - das Leben beschissen, wie nie zuvor!

Warum muss mir in solchen Situationen immer Goethes Faust einfallen. Vielleicht, weil uns unser alter Deutschlehrer damit immer gequält hatte.

Ein kleiner Schritt, ein Sprung, und alles wäre aus und vorbei, dachte ich.

Aber ich sollte vielleicht, für alle anderen, am Anfang anfangen.

Ich stehe hier, mit meinen 52 Jahren, an der Kante zum Abgrund, vor den Scherben meines Lebens.

Das letzte Jahr war hart. Meine Frau, mein Augenstern, kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Irgendein besoffener Fahrer war frontal in sie hineingeknallt, er selbst hatte nicht einen Kratzer abbekommen. Wie sagt man so schön: Besoffene und kleine Kinder haben einen besonderen Schutzengel. Meine Frau hatte keinen; sie war ja auch weder besoffen noch ein Kind.

Die Ärzte taten ihr Möglichstes, aber nach zwei Monaten Koma hatten sie keine Hoffnung mehr für meinen Augenstern. Jeden Tag hatte ich sie besucht, bei einem der letzten Besuche bat mich ein Oberarzt in sein Sprechzimmer, hier gab es „das Gespräch".

„Sie müssen es sich überlegen, ihre Frau ist Hirntod!", schweren Herzens gab ich nach drei qualvollen Tagen die Einwilligung die Maschinen abzuschalten. Ich musste sie gehen lassen.

Dreißig gemeinsame Jahre waren mit dieser einen Unterschrift beendet, aus und vorbei. „Bis dass der Tod uns scheidet!"

Ohne psychologische Hilfe wäre ich schon vor einem Jahr hier gestanden. Unsere Kinder waren da zum Glück schon erwachsen, auch sie traf der Tod meiner Frau, ihrer Mutter, hart, aber das Leben musste ja weitergehen. Mein Chef war verständnisvoll, er schickte mich zuerst unbegrenzt in Urlaub, danach stellte er mich von meiner Arbeit frei, natürlich ohne Bezahlung.

All unsere Wünsche, unsere Hoffnungen, waren dahin. Schon einmal in meinem Leben musste ich meine Träume begraben. Nachdem ich die Berufsbildende höhere Schule mit Matura abgeschlossen hatte und das Bundesheer vorbei war, wollte ich studieren. Meine damalige Freundin gestand mir , dass sie schwanger war, sie wurde meine geliebte Frau.

Kein Studium, ab in die Arbeitswelt hieß es dann für mich. Nach der Geburt unseres Sohnes heirateten wir, ein Jahr später kam unsere Tochter zur Welt. Das Leben war schön, wir hatten natürlich auch Höhen und Tiefen, aber unsere innige Liebe verzieh alles.

Nach dem Unfall spürte ich nur Leere, wie ein schwarzes Loch, das alles verschlang. In mir war kein Leben mehr, nur ein Dahinvegetieren, keine Freude, nur Verzweiflung. Meine Kinder versuchten mich zu trösten, sie motivierten mich mit ihnen etwas zu unternehmen. Ich wollte nicht, ich konnte es einfach nicht.

Nach zwei Monaten im Schneckenhaus meines Selbstmitleides kroch ich wieder heraus, für meine Kinder wollte ich das Leben weitergehen lassen. Ich startete also meine ersten Schritte wieder mehr unter Leute zu kommen. Ich suchte nach den alten Lokalen von früher, fand sie aber nicht mehr, alles hatte sich verändert. Langsam aber sicher kam ich mir alt vor, nach weiteren Versuchen fand ich dann eine Bar in der ich mich wohlfühlte. Es entwickelten sich die ersten interessanten Gespräche. Es machte mir Mut, dadurch hoffte ich auf mehr.

An einem dieser Abende lernte ich Sie kennen, sie stellte sich mir als Sylvia vor. Ein Name, der, wie ich später erfuhr, genauso falsch war wie alles was sie sagte oder tat.

Die Zeit mit ihr war schön. Für die Freundschaft mit ihr hätte ich alles getan. Ich tat auch sehr vieles davon. Am Anfang war es nur eine Einladung in ein Restaurant, später gemeinsames Einkaufen, einfach nur um Zeit mit ihr zu verbringen. Damals war es meine größte Freude.

Ich machte ihr Geschenke, kleinere und auch größere. Ein Kleid, eine Halskette, neue Schuhe. Sie suchte aus, ich bezahlte.

Geld war für mich nicht das Thema, in glücklicheren Tagen hatte ich einiges gespart und gewinnbringend angelegt. Meine Frau und ich hatten immer das Ziel mit 60 nicht mehr arbeiten zu müssen und trotzdem gut leben zu können. Durch etwas Glück im Lotto wäre unser Plan auch aufgegangen. Jetzt da sie nicht mehr da war, hätte ich alleine vom Ersparten bis zuletzt mein Leben genießen können.

Eines Tages wollte ich mir ein neues, gebrauchtes, Auto kaufen. Ich war zur Bank gegangenen und hatte mir 15.000€ von meinem Konto abgehoben. Sylvia wusste natürlich Bescheid, ich Idiot hatte es ihr gesagt. Sie wollte mich treffen und zusammen mit mir dorthin gehen, als „moralische Unterstützung" sagte sie. Am Treffpunkt angekommen wartete schon der Verkäufer des Wagens auf uns.

Doch statt mit einem neuen Auto, kam ich gebrochen nach Hause. Sie hatten mich zusammengeschlagen und das Geld abgenommen. Zur Krönung des Ganzen hatte sich Silvia von ihm, vor meinen Augen, ficken lassen. Ihre letzten Worte zu mir hallten noch lange nach: „Hast du wirklich gedacht, ich würde mit so einem Mädchen wie dir ins Bett steigen?"

Sie hatte mir nicht das Herz gebrochen, sie hatte es aus meiner Brust gerissen und zertrampelt.

Das Tal der Tränen hatte mich wieder.

Die Polizei war auch keine große Hilfe, ich hatte Anzeige erstattet, aber durch ihren falschen Namen und dem abgeschalteten Telefon hatte ich nicht die Spur einer Chance mein Geld wiederzusehen.

Meine Kinder waren beruflich weggezogen. Kontakt hatten wir nur über Telefon, sie führten ihr eigenes Leben, nach dem Tod meiner Frau wollte ich sie nicht schon wieder belasten, also igelte ich mich erneut ein. Das einzige, was mich hinaus in die Welt trieb, war der Hunger.

Eines Tages blickte mich an der Supermarktkasse ein freundliches Gesicht an. Eine neue Kassiererin saß da, immer wieder ging ich zu ihr, immer hatte sie ein warmherziges Lächeln für mich über. Auch wenn sie bei anderen nicht so begeistert drein blickte, für mich zeigte sie ihr Strahlen. Mein Herz hüpfte, wenn ich sie sah. War ich etwa verliebt?

Ein paar Tage später klingelte es an meiner Tür, als ich öffnete stand sie da und gab mir meine Geldtasche zurück. Ich hatte sie bei ihr an der Kasse vergessen. Als Dankeschön lud ich sie auf einen Kaffee zu mir ein. Wir kamen ins Gespräch. Immer wieder trafen wir uns privat, und jedesmal wenn wir fort waren, bestand sie darauf selbst zu bezahlen. Mit der Zeit wurden wir immer vertrauter. Ich nannte sie immer beim Nachnamen, den ich von ihrem Namensschild als Kassiererin kannte. Nach ein paar Treffen erfuhr ich auch ihren Vornamen, sie hieß Anita. Ich schätzte die gemeinsame Zeit mit ihr sehr.

Es waren keine großen Sachen, hier ein Kaffee, da ein Getränk, eine flüchtige Berührung unserer Hände, ein Aufhalten der Tür wenn sie durchgehen wollte. Nur gemeinsam Zeit verbringen, nicht alleine sein. Ich dachte so bei mir, dass ihr das auch guttat. Nur bei Körperkontakt war sie extrem Reserviert, aber darüber machte ich mir keinen Kopf. Ich wollte ja nicht gleich mit ihr ins Bett, wenn es sich so ergeben sollte, gut, wenn nicht, auch kein Beinbruch. Mit der Zeit bürgerte sich auch ein, dass sie mich nach der Arbeit besuchte, nur um nach mir zu sehen und mit mir über ihren Tag zu reden.

Als ich eines Tages, nach einem Treffen mit ihr, nach Hause kam, fand ich ein Kuvert vor meiner Tür. Darin befanden sich ein Zettel und eine CD. Auf dem Zettel stand: „Damit du weißt, mit wem du dich triffst!" Ich legte die CD ins Laufwerk und spielte sie ab.

Was ich sah, konnte ich kaum glauben. Anita beim Sex mit mehreren Männern! Sie hatte einen Porno gedreht. In mir zerbrach etwas, das schöne Gefühl in meinem Bauch wenn ich an sie dachte, es wandelte sich zu Ekel. Warum hatte sie mir nichts gesagt? Wer hatte mir das Kuvert vor die Tür gelegt? Warum mussten alle Frauen mir so etwas antun? Ich begann wieder zu heulen wie ein Schlosshund. Auf einmal hörte ich ein klingeln, es war die Türklingel, ich wollte nicht öffnen. Es klingelte weiter, langsam schlich ich zur Tür. Ein Klopfen, dann eine Stimme: „Hallo? Ich bin's Anita, mach doch auf. Ich glaube du hast mein Handy aus Versehen vorhin eingesteckt, mach doch bitte auf, ich brauche es heute noch. Was ist mit dir?"

„Geh weg, ich will dich nicht sehen!", rief ich ihr durch die Tür zu.

„Sag mal, spinnst du? Was ist los? Mach sofort auf!", antwortete sie. Ich schloss die Tür auf und sagte zu ihr: „Wenn du wissen willst was los ist, geh doch ins Wohnzimmer und schau in den Fernseher!" Sie ging an mir vorbei.

Wie ein Häufchen Elend saß ich neben der Tür. Ich heulte immer noch. Da hörte ich sie in meinem Wohnzimmer lachen. Auf allen Vieren kroch ich dorthin, sie schaute in den Fernseher und lachte. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Als Anita mich bemerkte, meinte sie: „Deswegen machst du so einen Aufstand? Was glaubst du denn? Meinst du, nur in deinem Leben ist Scheiße passiert? Ein Jahr bevor der Film aufgenommen wurde, sind meine Eltern nach langer Krankheit gestorben. Ich war noch nicht einmal dreißig. Ich habe alles geerbt, hauptsächlich Schulden. Damals hatte ich noch einen guten Job im Marketing, kurz darauf wurde ich gekündigt. Ich hab alles, was ich konnte, verkauft: mein Elternhaus, mein Auto, meine Eigentumswohnung. Ich zog in eine miese, kleine, billige Mietswohnung, alles machte ich zu Geld, aber es reichte nicht. Ich hatte nichts mehr, nur noch Schulden und dazu keine Arbeit. Das Einzige, was ich noch hatte, war mein Körper. Auf den Strich gehen wollte ich nicht, also begann ich Pornos zu drehen, zuerst normale, nur blasen und ficken, von vorne und hinten, Lesbensex war auch noch dabei. Danach machte ich auch härtere Sachen Gang Bang, SM-Pornos und so weiter, aber nur des Geldes wegen. Ich hatte keine Würde mehr, ich habe mich schon vor mir selbst geekelt. Verdammt, ich hab sogar Pisse getrunken und Scheiße gefressen, meine und auch fremde. Kurz bevor ich sogar noch Sex mit Tieren in Betracht gezogen habe, kam die erlösende Nachricht von meiner Bank: alle Schulden waren bezahlt. Ohne die Schulden konnte ich vom Notstand leben und mir eine Arbeit suchen. Es dauerte lange bis ich eine fand, zwar nicht in meinem erlernten Beruf, aber es war ehrliche Arbeit, schlecht bezahlt, aber ehrlich. Oder glaubst du, ich verdiene viel an der Kasse im Supermarkt? Diese Jahre waren Kacke, selbst jetzt, wo ich es dir sage, graust es mir vor mir selbst und ich möchte am liebsten kotzen. Wie denkst du fühle ich mich, jedesmal wenn mich jemand schmierig angrinst, werde ich an meine Vergangenheit erinnert. So, jetzt weißt du es! Nicht nur dir ist es schlecht ergangen, auch mir, aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Jetzt weißt du Bescheid. Bleib sitzen, ich finde allein raus!"

Sie drehte sich um und ging zur Tür, in ihren Augen funkelten Tränen. Ja, dachte ich bei mir, nicht nur mir ist es schlecht ergangen auch ihr. Ich wollte nach ihr rufen, da hörte ich die Tür ins Schloss fallen, sie war fort.

Noch am selben Tag erhielt ich einen Anruf von der Polizei. Sie hatten die Frau, die ich als Sylvia kannte, nach meiner Beschreibung aufgegriffen. Sie und ihr Ehemann waren vollständig geständig. Die beiden hatten dieselbe Nummer wie bei mir schon fünfmal durchgezogen. Ich sollte sie identifizieren und würde wahrscheinlich nach dem Prozess mein Geld zurückbekommen.

Wollte das Leben sich bei mir entschuldigen? Sollte ich auch wieder einmal Glück haben?

Am nächsten Tag ging ich in den Supermarkt. Ich wollte mich bei Anita entschuldigen, ihr sagen, dass es mir leid tat, wenn ich sie verletzt hatte. Sie war nicht da, von ihrer Arbeitskollegin erfuhr ich, dass sie im Krankenstand war. Warum wusste niemand, ich kam mir so mies vor. Nach einigen Nachfragen gab mir jemand ihre Adresse.

Zuhause schrieb ich ihr einen Brief.

Liebste Anita,

ich weiß, dass ich dich verletzt habe, es tut mir leid, das wollte ich nicht. Als ich das Video sah, brach meine Welt wieder zusammen. Ich habe dich verurteilt, ohne deine Geschichte zu kennen. Ich war egoistisch. Deine Worte haben mich sehr stark berührt, ich erkannte, warum du das getan hast und kann dich nur für deine Stärke bewundern. Ich bin nicht so stark, ich habe mich nach meinem Schicksal von der Welt zurückgezogen und mich in Selbstmitleid gesuhlt. Ich bitte dich um Verzeihung.

Wenn du noch mit mir reden willst, ich bin die nächsten zwei Stunden auf dem Dach deines Wohnhauses.


Ich steckte den Brief in ein Kuvert, ging zu ihrer Wohnung, legte ihn vor ihre Tür und klingelte. Ohne abzuwarten, ob sie die Tür öffnen würde, ging ich wieder, um meinen Plan in die Tat umzusetzen.

Mit Tränen in den Augen stehe ich jetzt hier, das Bild meiner toten Frau in meinen Händen wird immer schwerer.

Plötzlich erklingt ein Schrei des Entsetzens hinter mir, mit feuchten Augen drehe ich mich um und sehe sie. Der Schreck steht ihr ins Gesicht geschrieben. Das Bild rutscht mir aus den Fingern, ich sehe es fallen, tiefer immer tiefer, ich sehe ihm nach, bis ich es in der Dunkelheit aus den Augen verliere. Hinter mir höre ich ihre Stimme: „Komm zu mir! Du musst das nicht tun!" Sie klingt voller Liebe und Angst.

Ich springe, ich falle, wie in Zeitlupe, es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

Am Boden angekommen, sehe ich in ihr Gesicht, sie sieht erleichtert aus. Hinter mir spüre ich die Brüstung ,auf der ich noch vor Kurzem stand. Sie hält mir ihre Hand entgegen und sagt: „Komm mit mir!" Tränen der Freude sind in ihren Augen. Ich ergreife ihre Hand und denke:

Hier steh ich nun, ich armer Tor, das Leben ist schön, wie selten zuvor.

Written by: Gorn1234

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