Category: Sci-Fi & Phantasie Geschichten

Wenn die Nachtigall erwacht 04

by _Faith_©

Originaltitel: Master of Puppets

Am Sonntagabend kam Miriam, beschwingt und bis über beide Ohren verliebt, in ihrer Unterkunft an. Sie war das Wochenende bei Sven gewesen und die beiden hatten die Zeit mit Schlafen, Essen, Vögeln und Kuscheln verbracht. Ihnen war in Anbetracht des hormonellen Rausches einer frischen Liebe auch gar nichts Wichtigeres in den Sinn gekommen. Nachdem Miriam ihm in der ersten Nacht gestanden hatte, dass sie die Königin einer außerirdischen Lebensform war, und Sven dieses Geständnis zwar falsch aber sehr entspannt aufgenommen hatte, war es für den Rest des Wochenendes kein Thema mehr gewesen. Zwar bestand Sven weiterhin auf die Benutzung von Kondomen, aber er akzeptierte Miriams Fetisch für Sperma. Kurz vor den Höhepunkten, richtete er es so ein, dass sie den Saft direkt aus der Quelle beziehen konnte.

Aber auch das schönste verliebt-verfickte Wochenende ging einmal zu Ende. Und so tanzte Miriam die Stufen zu ihrer Unterkunft empor, schwelgte in den Erinnerungen und vermisste Sven schon jetzt. Ihre Kleidung, ihr ganzer Körper, roch nach ihm. Als sie die Tür öffnete und den Flur betrat, nahm Miriam eine dicke blonde Haarsträhne und hielt sie vor ihre Nase, um den Duft einzusaugen.

‚Du hast reichlich Beute gemacht!', sagte V'nyx der IV., als er Miriams überschwängliche Stimmung registrierte und aus seiner Sichtweise interpretierte. Miriam lächelte nachsichtig, da diese kleine, dumme Pflanze nicht den leisesten Hauch davon hatte, was Verliebt sein bedeutete. Trotzdem, oder gerade deswegen, kniete sich Miriam vor den Pflanzkübel. Ihre Spermavorräte waren gut gefüllt, und sie sonderte über ihre Speicheldrüsen die Substanzen aus dem Sperma ab, die V'nyx der IV. benötigte. Mit gespitzten Lippen bot sie sich der Pflanze an, und der Blütenstempel kam ihr entgegen, um die Nährstoffe entgegenzunehmen. Die Blätter schmiegten sich an ihr Gesicht, und Miriam spürte, dass der Cerebrat sie wieder in die Anderswelt führen wollte. Sie zog den Kopf sachte aber unnachgiebig zurück und schüttelte dann den Kopf.

»Jetzt nicht.«

V'nyx der IV. wollte noch etwas sagen, aber sie strich liebevoll über die Spitzen der Blütenblätter und schlug vor: »Halte doch einfach mal die Klappe. Du hast doch alles, was du brauchst.«

Der Cerebrat schwieg tatsächlich. Miriam stand auf, schnickte die High Heels von den Füßen, schälte sich aus ihren Klamotten und verwandelte sich in die Blaue Königin. Anschließend stellte sie eine Packung tiefgefrorene Himbeeren in die Mikrowelle, und während sich die Früchte erwärmten, zerdrückte sie ein Kilo Vanilleeis mit einer Gabel in einer großen Glasschüssel. Als die Himbeeren heiß waren, kippte sie diese über das Eis, verrührte es kurz und nahm das Abendessen mit auf ihr Ledersofa.

Glücklich und satt ging sie auf leisen Sohlen in ihr Schlafzimmer, kippte eine frische Flasche Babyöl in den Latexkokon und zog den engen Schlauch über ihren Körper, bis nur noch ihr Kopf herausschaute. Als sie wie eine Latexraupe auf dem Bett lag und das Öl gleichmäßig zwischen ihrem Körper und dem Kokon verteilt war, schob sie eine Hand zwischen ihre Beine und ließ die andere entspannt auf ihrem Bauch ruhen. Sie dachte beim Einschlafe an Sven und bedauerte, dass er morgen keine Zeit für sie hatte, weil er seinem Onkel auf dem Schrottplatz helfen musste. Er verdiente sich damit in den Semesterferien etwas Geld, um über die Runden zu kommen.

*

Während ihr Körper schlief, betrat die Königin die Anderswelt - ihre Welt. Eine Welt die ihr kahl, aber fruchtbar zu Füßen lag und mit der sie nichts anzufangen wusste. Hier gab es nur Sie und ihren Cerebrat in Gestalt eines großen Laufvogels. Und natürlich die niederen Penisgewächse, die diese Welt wie Unkraut überwucherten. V'nyx der IV. hatte sich herablassend über diese strammen Stängel geäußert, aber Miriam verband aus ihrer Zeit Drohne nur schöne Erinnerungen mit ihnen. Sie griff nach einem besonders dicken, aber kurzen Stängel und streichelte die kegelige Spitze mit den Händen, als wollte sie das schlechte Gerede ihres Cerebraten wieder gut machen. Einem natürlichen Reflex folgend, wurde der schwarze Kegel glitschig-feucht, durch die zärtlichen Berührungen.

'Du könntest so viel mehr aus dieser Welt machen', säuselte der große Vogel in ihr Ohr. Er stand hinter ihr, ohne dass sie sein Kommen bemerkt hatte. Die Königin drehte sich und senkte ihren Po über der Spitze des dicken Zapfens ab. Dabei schaute sie ihren Cerebrat mit bohrendem Blick an und fragte: »Viel mehr interessiert es mich, was diese Welt aus mir machen könnte.«

Der Vogel neigte seinen verhältnismäßig kleinen Kopf mit den großen Augen fragend zu Seite und beobachtet die Königin schweigend. Sie stützte sich rittlings mit Händen und Füßen vom Boden ab und ließ ihren Po ein kleines Stück tiefer sinken. Der Druck gegen ihren Schließmuskel wuchs, während sie ihr Gewicht langsam auf den geölten Zapfen verlagert. Die Spitze küsste ihren Hintereingang und drang ein kleines Stück in die Enge vor - noch war es schön. Die Königin, verharrte in dieser Pose und genoss die intime Berührung für einen Moment.

Sie ließ sich tiefer auf den Kegel sinken, entspannte ihren Schließmuskel und fühlte, dass er unter dem sanften Druck nachgab. Auf einem Ölfilm gleitend, öffnete er sich, dem wachsen Durchmesser des Kegels folgend, bis aus dem sanften Kuss ein impertinentes Drängen wurde, dem die Königin nur entkommen konnte, indem sie ihren Po wieder ein Stück anhob, kurz verschnaufte und sich der Herausforderung erneut stellte. Mit jedem Versuch, schob sie die Grenze des erträglichen ein Stück weiter. Ihre Knie zitterten und ein Teil von ihre wollte aufspringen und davonlaufen, aber der andere Teil war stärker und stellte sich der selbst gewählten Aufgabe. V'nyx der IV. trat von einem Bein aufs Andere und schwenkte seinen langen Hals hin und her, als könnte er diese Lustqual alleine durchs Zusehen kaum ertragen.

Noch einmal hob die Königin ihre Körpermitte an, atmete tief durch und ließ den Kegel wieder eintauchen. Die zuvor mühsam errungenen Etappensiege waren längst keine Herausforderung mehr. Nur das letzte kleine Stück, der Übergang von der kegeligen Spitze zum zylindrischen Schaft, diese bisher unüberwindbare Hürde, kam quälend näher. Die Königin senkte ihre Lider demütig und hauchte durch die leicht geöffneten Lippen aus. Dann glitt ihr Po, der vorher um Millimeter gerungen hatte, überraschen schnell dem Boden entgegen.

'Warum tust du das?', fragte V'nyx der IV. Die Königin wehrte die Frage mit einem Kopfschütteln ab, es war der falsche Moment für Erklärungen. Sie ließ die Augen geschlossenen und formte ihre Lippen zu einem sinnlichen Kussmund, während sie den Triumph über den glitschigen Zapfen genoss. Ihre Beckenmuskulatur zuckte und krampfte. Die Königin ertrug es und wurde durch Endorphinschübe für ihre Leidensfähigkeit belohnt.

»Weil ich es kann«, antwortete die Königin, ohne die Augen zu öffnen.

Einer Trance gleich, nahm ihr Oberköper eine senkrechte Haltung ein, sie kreuzte die Beine und legte ihre Hände auf die Knie. Aus der Entfernung sah es aus, als würde die Königin im Lotussitz auf dem Boden ruhend meditieren. Einzig die feinen, blauen Linien, die auf ihrem Körper in wechselnden Mustern pulsierten, ließen auf ihren inneren Zustand schließen. Das Bedürfnis, aufzuspringen und sich diesem gewaltigen Druck zu entziehen, konnte jederzeit die Oberhand gewinnen. Sie erlebte die pochenden Krämpfe ihres Schließmuskels mit Lust und sie wiederstand dem Drang, sich zu berühren, um den Höhepunkt nicht schneller als nötig heraufzubeschwören. Ihr Kitzler klopfte im Takt des Herzschlages und wollte massiert werden. Die geschwollenen Schamlippen öffneten sich wie eine schwarze Blüte beim Sonnenaufgang und der Lustsaft tropfe wie Tau auf den Boden. Ihre Nippel kribbelten und zogen sich hart zusammen. Sie verharrte passiv, einer lustvollen Selbstkasteiung gleich, mit den Händen auf den Knien und genoss die bittersüße Qual.

»Du musst wissen, dass ich die Königin, die mich erschaffen hat, getötet habe«, sagte sie mit geschlossenen Lidern und prophetischer Gelassenheit. V'nyx der IV. schaute sie erschrocken an. Seine ohnehin schon großen Augen, wirkten noch größer. Er taumelte einen Schritt zurück und fragte: 'Warum?'

Anstatt einer Antwort stieß die Königin einen Laut aus, der sowohl von Lust als auch von Schmerz zeugen konnte. Als sie die Augen träge öffnete, glänzten diese feucht und einzelne Tränen bahnten sich einen Weg über ihre Wangen. Die Königin trieb auf einer melancholischen Welle der Ergriffenheit, während ihr Blick über ihre kahle und einsame Welt strich. Äußerlich reglos, fühlte sie sich wie ein Gefäß, dass sich Tropfen für Tropfen mit Emotionen füllte. Als sie glaubte, sie würde überlaufen, holte sie tief Luft. Ihre vollen, tiefblauen Lippen zitterten.

Minimalste Bewegungen nahm sie mehrfach verstärkt in ihrer Körpermitte war, selbst Atmen war kaum noch zu ertragen. Die kleinste Unachtsamkeit konnte die gesammelte Flüssigkeit zum überschwappen bringen. Sie konzentrierte sich auf eine langsame und flache Atmung - einfach nur atmen. Ihr Empfinden verengte sich auf ihre Körpermitte, auf den Zapfen, der quälend in ihr steckte. Das Gefäß quoll nicht über, es zerging ohne Vorwarnung und der Inhalt ergoss sich in ihrem Geist. Auf dem höchsten Punkt der Lust schüttelte ein Weinkrampf ihren Körper, der so herrlich befreiend war wie ein Sommergewitter nach einem drückend schwülen Tag.

*

Als Blitz und Donner verzogen waren, lächelte sie mit tränenumrandeten Augen und schaute sich um. Der große Laufvogel war nicht mehr in ihrer Nähe. Vorsichtig erhob sie sich mit weichen Knien und baute sich vor dem Zapfen, auf dem sie eben noch gesessen hatte, auf. Sie reckte ihre Arme dem Himmel entgegen und befahl: »Wachse!«

Der Zapfen schob sich aus dem Boden, wurde dick wie ein Baumstamm und überrage die Königin nach wenigen Augenblicken um das Vielfache ihrer Größe. Beeindruckt schaute sie an dem Stamm empor. Ihr war bewusst geworden, dass diese niederen Gewächse der Anfang von Allem waren, was sie in dieser Welt Erschaffen konnte. Es war die Grundsubstanz des Lebens. Sie breitete die Arme aus und aus der Spitze wuchsen ultramarinblaue Blätter. Das Ergebnis ähnelte einer Südseepalme mit einem schwarzen, glatten Stamm und einer blauen Blattkrone.

Die Königin stemmte sich dagegen, bis sich der Stamm neigte und auf Brusthöhe nahezu waagerecht über dem Boden schwebte, so wie manche Südseepalmen vom Strand in Richtung Meer wuchsen. Behände kletterte sie auf den Stamm und legte sich bäuchlings darauf. Nach dieser analen Grenzerfahrung war die Bauchlage sicher angenehmer als Sitzen. Mit hängenden Armen und Beinen, in der anmutigen Trägheit einer Raubkatze, genoss sie ihre Kreation und ließ den Blick zum Horizont schweifen. Die Ausläufer des dunklen Waldes warfen dunkle Schatten auf ihr Reich und versinnbildlichten geradezu provokativ die Grenze ihrer Macht.

Bei der Erinnerung an diesen Wald und den darin lebenden Wesen, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Bisher hatte sie dieses Gebiet ignoriert, zumal V'nyx der IV. auch nichts damit anfangen konnte. Sie richtete ihren Oberkörper auf und schaute sich um. Ihr Cerebrat war nicht zu sehen und sie wollte ihn nicht rufen. Womöglich war er noch geschockt, von ihrem Geständnis, eine Königinnenmörderin zu sein. Fest entschlossen, mehr über diesen dunklen Wald, diesen Fremdkörper in ihrer Welt, zu erfahren, ließ sie sich von der Palme gleiten und marschierte zu dem Gebiet.

Sie blickte durch das Unterholz ins Innere des Waldes, schob die ungewohnt stacheligen Sträucher zur Seite und setzte den ersten Fuß in die Dunkelheit. Ein zischelndes Geräusch schreckte sie auf. Sie wollte fliehen und sah ihre zitternde Hand mit den blauen Fingernägeln.

»Das ist meine Welt!«, sagte die Königin. Ihre Fingernägel wurden länger und liefen spitz zu. Mit entschlossenem Blick machte sie den nächsten Schritt in die Dunkelheit. Rascheln, und das Tapsen von Schritten, kam aus unterschiedlichen Richtungen und ließen ihre Augen rastlos durch die Dunkelheit huschen.

»Zeigt euch, wenn ihr einen Verstand besitzt!«, rief sie in den Wald. Die Geräusche von umherirrenden Geschöpfen nahmen zu, sie glaubte, einzelne Bewegungen in der Finsternis ausmachen zu können.

»Zeigt euch! Ich bin die Blaue Königin!«, befahl sie, ohne zu wissen, ob diese Tatsache von Gewicht war. Sie schaute hinter sich: Es waren nur wenige Schritte zurück zum Licht.

Als sie wieder in den dunklen Wald blickte, erschrak sie, im Anbetracht der Vielzahl an Wesen, die sie als dunkelgraue Silhouetten zwischen den Baumgerippen erkennen konnte. Männliche Kreaturen, aber auch Frauen, näherten sich ihrem Standort. Schulter an Schulter drängten sie sich aneinander und kamen näher.

»Warum lässt Du uns im Dunkeln?«, fragte eines der Wesen klagend. Die Königin kannte diese Stimme nicht. Alle ihre ehemaligen Drohnen waren tot. Sie schüttelte den Kopf entschuldigend und sagte: »Ich kenne dich nicht.«

Ein boshaftes Grollen und das Splittern von trockenem Holz zerstörten die angespannte Stille. Hinter der sprechenden Kreatur schnellten Tentakel hervor, wie ein Schwarm schwarz-roter Schlangen. Die Tentakel umschlangen Arme und Beine der Kreatur und zogen sie vom Waldrand zurück in die Finsternis. Erschrocken ging die Königin einen Schritt zurück und versteckte sich hinter einem toten, aber dicht gewachsenen Strauch, während weitere Tentakel aus den tief hängenden Wolken hinab schnellten und weitere Wesen vom Waldrand weg zerrten.

Diese Tentakel schienen nicht von einem gemeinsamen Ursprung auszugehen. Sie kamen wie schlangenartige Arme von oben aus dem Nebel, wo sie gerade benötigt wurden. Die Wesen stoben panisch auseinander, verschwanden in dunklen Schatten und hinter toten Bäumen. Eine der dunklen Kreaturen war ganz in ihrer Nähe in Deckung gegangen. Die Königin schlich zu ihr und legte ihre Hand auf die Schulter des gesichtslosen Wesens.

»Was ist das?«, fragte die Königin.

»Er hält uns in diesem Wald gefangen«, sagte die dunkle Gestalt mit hektischen Kopfbewegungen.

»Wer ist er?«, fragte Sie so ruhig, wie es ihr trotz ihrer Anspannung möglich war.

Die Gestalt, deren Gesicht nicht erkennbar war, da es unabhängig vom spärlichen Lichteinfall immer im Schatten lag, rang um eine Antwort. Bevor ein Wort über die Lippen des Wesens kam, schoss eine gewaltige Blüte durch die tief hängenden Wolken hinab und eilte lautlos über die Baumwipfel. Weit geöffnet, wie eine riesige Hand, schwebte die Blüte direkt auf die Blaue Königin zu. Schwarze, fleischige Blütenblätter mit tiefroten Sprenkeln -- das waren Tanjas Farben! Die Farben der Roten Königin, deren unheilvolle Brut die Blauen Königin in den letzten Jahren auf allen Kontinenten gejagt hatte und von der es eigentlich keine Überlebenden mehr geben sollte.

Im Anbetracht der ausgeprägt zackigen Blattkonturen musste dieser Cerebrat gewaltige Ausmaße haben. Nur alte oder sehr mächtige Cerebrate leisteten sich solch eine martialische Angriffsblüte. Diese Ausprägung hatte Miriam noch nicht in der realen Welt gesehen. Alle bisherigen Cerebrate waren noch jung und klein gewesen, wenn die Menschen auf sie aufmerksam wurden, die Andersartigkeit erkannten und das Fremde nach anfänglicher Neugier zerstörten. Die Königin erstarrte im Anbetracht dieses Monsters und stierte die Blüte mit weit aufgerissenen Augen an, als sie sich über ihr absenkte. Bevor die gezackte Blüte mit den messerscharfen Blattkanten zuschnappte, wurde die Blaue Königin rabiat weggestoßen. Die dunkle Kreatur hatte ihr einen beherzten Stoß versetzt und stand nun dort wo, eben noch die Königin stand. Die Kreatur wurde von der Blüte vollständig umschlossen und in die Dunkelheit gezogen.

*

Miriam erwachte schreiend. Sie hatte es trotz der engen Umschließung des Kokons geschafft, ihren Oberkörper im Bett aufzurichten und blickte mit geöffneten, bernsteinfarbenen Katzenaugen in die Dunkelheit.

‚Was ist?', fragte V'nyx der IV.

»In dem dunklen Wald gibt es noch einen Cerebrat, einen gewaltigen roten Cerebrat«, sagte Miriam mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie einen Geist gesehen.

‚Dann sind wir doch nicht alleine auf dieser Welt', sagte V'nyx der IV. erfreut.

Miriam hätte die orangefarbene Blüte ihres Cerebraten wahrscheinlich im Affekt mit bloßen Händen zerquetscht, wenn sie nicht in dem engen Kokon gesteckt hätte.

»Warum hast du mir das nicht gesagt!«, schrie Miriam. Hastig schlängelte sie ihren sattschwarzen Latexkörper aus dem Kokon. Sie empfand die enge Umschließung nicht mehr wie eine liebevolle Umarmung, sondern wie eine bedrohliche Einschränkung ihrer Bewegungsfähigkeit. Sie war im Alarmzustand und musste sich frei bewegen können.

Unbeeindruckt von der aufgebrachten Königin erklärte V'nyx der IV. gelassen: ‚Ich wollte dir vorhin sagen, dass ich den dunklen Wald nicht alleine betreten kann. Ich kann nicht einmal von außen hineinschauen. Das geht nur, wenn du bei mir bist.'

»Warum?«, fragte Miriam barsch. Sie hatte sich mittlerweile aus dem Kokon befreit und tapste mit nackten Füßen über den Boden. Dabei hinterließ sie schmatzende Fußabdrücke aus Babyöl.

‚Ich weiß es nicht!', antwortete V'nyx der IV.‚ vielleicht liegt es daran, dass der dunkle Wald nicht wirklich Teil der Anderswelt ist. Warum weißt du das nicht? Ach ja, du warst ja all die Jahre mit Blindheit geschlagen.'

»Jetzt wird er auch noch zynisch«, raunte Miriam und fuhr sich durch ihre öligen Haare. Sie hätte noch ein paar Stunden in dem Kokon schlafen müssen, um das ganze Öl zu absorbieren, jetzt war es mitten in der Nacht, und sie glänzte wie eine rabenschwarze Speckschwarte. Eigentlich sah das sehr verlockend aus und fühlte sich auch sehr angenehm an, aber Miriam war absolut nicht nach amourösen Spielen zumute.

‚Nimm mich mit in die Anderswelt, dann können wir mit dem roten Cerebrat reden und unsere Strategien abstimmen', schlug V'nyx der IV. vor.

»NEIN!«, schrie Miriam und zertrümmerte einen großen Tontopf direkt neben dem Kübel, in dem V'nyx der IV. keimte.

In Miriam flammte Misstrauen gegenüber V'nyx dem IV. auf. Vielleicht wusste er mehr, als er zugab, und verheimlichte es absichtlich vor ihr. Sie war kurz davor, den nächsten Tontopf hoch über den Kopf zu heben und auf der kleinen Pflanze zu zertrümmern. Doch Miriam zügelte ihr Temperament. Vielleicht war V'nyx der IV. ein Verräter, aber vorerst war er zu klein und zu schwach, um ihr gefährlich zu werden. Und wenn sie das Spiel geschickt spielte, könnte sie ihm eventuell auf die Schliche kommen oder ihn davon überzeugen, dass Allianzen mit der roten Brut traditionell nicht infrage kamen.

'Ich kann dich gar nicht hintergehen - das weißt du doch? Ich muss vor dir mehr Angst haben als du vor mir', sagte V'nyx der IV. verzweifelt. Miriam verließ den Raum wortlos und legte sich auf ihre Ledercouch, um nachzudenken. Dabei konzentrierte sie sich darauf, ihre Gedanken vor dem Cerebrat zu verbergen. Sie wusste, dass dies möglich war, konnte aber nicht überprüfen, in wie weit es ihr gelang.

'Warum verschweigst du mir deine Gedanken?'

Über Ihr Gesicht huschte ein Lächeln, es schien zu funktionieren.

Miriam versuchte die Abschottung ihrer Gedanken aufrecht zu halten und begann zu überlegen: Es war in dieser visionären Welt nicht einfach, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich waren. Aber Sie war sich sehr sicher, dass diese Kreaturen weder eine Vision noch eine Erinnerung aus der Vergangenheit waren. Immerhin konnte sie mit ihnen kommunizieren. Wenn diese Wesen also in der Gegenwart existierten, dann mussten sie irgendwo auf diesem Planeten leben. Und dann war der rote Cerebrat auch keine Fiktion - dann gab es ihn auch.

Es war jedoch ungewöhnlich, dass der rote Cerebrat in der Anderswelt in seiner pflanzlichen Gestalt in Erscheinung trat. Soweit es Miriam wusste, wählten Cerebrate tierartige Wesen in dieser Welt, denn Pflanzen hatten eine gänzlich andere Bedeutung. In der Anderswelt symbolisierten Pflanzen gespeichertes Wissen, ähnlich wie Bücherregale. Durch unterschiedliche Interaktionen mit den Pflanzen konnte man ihr individuelles Wissen erlernen oder eigenes Wissen in ihnen speichern. Ein Wald war in der Anderswelt eigentlich nichts anderes, als eine Bibliothek - was sollte man dann von einem toten Wald halten?

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